: Die Eupener Straße entstand drei Wochen vor der Reichspogromnacht
Sinai-, Raphael-, Uriel-, Michael- und Emanuelstraße: Keine der fünf Straßenumbenennungen aus antisemitischen Gründen 1933 bis 1938 wurde in Bremen rückgängig gemacht
Unmittelbar nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten setzte eine lange Reihe antisemitischer Maßnahmen ein, die schließlich bis zur Vertreibung und Ermordung der Juden in Deutschland und Europa führten. Zu diesen Maßnahmen gehörte auch, alle Hinweise auf jüdisches Leben aus dem öffentlichen Erscheinungsbild der Städte zu verbannen: Denkmäler jüdischer Bürger wurden entfernt und Straßen mit jüdischem Namensbezug umbenannt.
Sinai-, Raphael-, Uriel- und Michael-Straße
1937 befasste sich der Senat auf Initiative des regierenden Bürgermeisters Böhmcker mit der Straßennamensfrage. Er bezog sich dabei auf Forderungen aus der NSDAP. Die systematische Suche führte zu einer Liste von ursprünglich fünf Namen, die „jüdischen Ursprungs“ seien oder auf alttestamentarische Namen zurückgingen.
Am 3. Juni 1938 wurden vier Straßen neu benannt. Begründung: Die Namen seien völlig „völlig farblos und beziehungslos“. Dies war die Umschreibung für antisemitisches Handeln: die Sinaistraße in Burg-Grambke (umbenannt in An Smidts Park) sowie im Stadtteil Gröpelingen die nach den Erzengeln benannten Straßen Urielstraße (in Uthleder Straße), Michaelstraße (in Driftsether Straße) und Raphaelstraße (in Adelstedter Straße). Die fünfte Straße auf der Liste (Morgenlandstraße) durfte ihren Namen behalten, als bekannt wurde, dass nicht das biblische „Morgenland“ gemeint ist, sondern der Name sich von einem landwirtschaftlichen Gut und dem Flächenmaß herleitete.
Die Erschließungsgeschichte des Ortsteils Ohlenhof lässt erkennen, dass die Namensgebung nach den Erzengeln dem Wunsch der privaten Bauherren entsprach. Ursprünglich hatten der Landwirt Bosse und der spätere Senator Bömers die Anlagen der Straßen betrieben und die Namen vorgeschlagen. Bömers war Mitglied der deutschnationalen DVP und lange Jahre Bauherr der St.Petri Domgemeinde.
Emanuelstraße
Die Emanuelstraße wurde als letzte Straße im Oktober 1938 umbenannt. Der Name leitete sich vom Vornamen des Bauunternehmers ab, der die Straße ab 1888 hatte anlegen und die Häuser erbauen lassen: Mentel Emanuel Stern. Emanuel ist die latinisierte Form des hebräischen Mentel; ab etwa 1863 hatte Stern diesen Namenszusatz hinzugefügt. Da Stern zum Zeitpunkt der Namensgebung (1888) noch lebte, erfolgte die Namensgebung nur nach dem Vornamen. Dass Bauherren mit einem Namensvorschlag sich selbst ein „Denkmal“ setzen wollten, war nicht unüblich, wie auch das Beispiel der Mathildenstraße zeigt – nach dem Vornamen der Ehefrau des Erbauers Lüder Rautenberg. Der damalige Senat fand die Namensgebung für würdig und folgte dem Vorschlag – die Emanuelstraße wurde somit die erste Straße in Bremen mit einem jüdischen Namensbezug.
Die Lebensgeschichte Emanuel Sterns spiegelt in typischer Weise die Situation jüdischer Bürger in Deutschland wieder. Im Hessischen geboren, wanderte er als junger Mann nach Bremen aus, erhielt hier 1863 das Bürgerrecht (was erst seit 1849 möglich war), gelangte zu Wohlstand, wurde Lotterieeinnehmer und gehörte zehn Jahre lang zum Vorstand der jüdischen Gemeinde in Bremen. Er starb 1917, sein Grab ist bis heute auf dem Friedhof der jüdischen Gemeinde in Hastedt erhalten.
Diese Umbenennung erfolgte als Reaktion auf den Erlass des Reichsinnenministeriums vom 27.7.1938, der reichseinheitlich festlegte, dass alle Straßen mit einem jüdischen Namensbezug umzubenennen seien. Nachdem die Bauverwaltung noch 1934 die private Initiative eines Kaufmanns abgelehnt hatte, die Emanuelstraße aufgrund ihres jüdischen Namenshintergrundes umzubenennen, ging jetzt alles rasch und am 14.10.1938 – drei Wochen vor der Reichspogromnacht – wurde bereits der Name Eupener Straße angebracht.
Dr. Wolfram Seibert