: Es gab Zeit für Warnungen
AUS BERLIN SVEN HANSEN
Das schwere Erdbeben vom Sonntag, das zu der Flutkatastrophe im Indischen Ozean geführt hat, könnte seinerseits von einem schweren Beben in der Antarktis am vergangenen Donnerstag ausgelöst worden sein. Diese These vertritt der Seismologe Cvetan Sinadinovski vom Institut Geoscience Australia in Canberra. Denn dieses Beben mit einer Stärke von 8,1 bis 8,2 auf der Richter-Skala habe sich genau auf der entgegengesetzten Seite der indoaustralischen Platte in der Erdkruste ereignet. „Man kann vermuten, dass das Beben auf der einen Seite der Platte eine unausgeglichene Situation auf der anderen Seite verursacht“, sagt der Wissenschaftler.
Vor der Nordwestküste der indonesischen Insel Sumatra, wo das Epizentrum des schweren Bebens vom Sonntagmorgen lag, schiebt sich die indisch-australische Erdplatte in einem Tempo von sieben Zentimeter pro Jahr unter die eurasische. In dieser so genannten Subduktionszone, die sich von Birma bis Osttimor westlich und südlich entlang der indonesischen Hauptinseln Sumatra, Java und Bali erstreckt, kommt es deshalb immer wieder zu Erdbeben. Die untere australische Platte wird dabei im heißeren Erdinnern aufgeschmolzen, was zu vulkanischer Aktivität führt.
In Indonesien werden jährlich 500 bis 1.000 Erdbeben registriert. Diese führen jedoch nicht zwangsläufig zu Tsunamis, den Riesenwellen, die am Wochenende für weit mehr Todesopfer sorgten als das eigentliche Beben. Tsunamis bilden sich nur, wenn es beim Beben oder damit verbundenen Erdrutschen zu einer ruckartigen Höhenveränderung des Meeresbodens kommt. Im Vergleich zum Pazifik galt das Risiko von Tsunamis im Indischen Ozean bisher als gering.
Die größte Katastrophe in Indonesien war bisher der Ausbruch des zwischen Java und Sumatra gelegenen Vulkans Krakatau im Jahr 1883. Dabei versank die Insel Rakata Besar im Meer. Durch den Vulkan und die von ihm ausgelösten Tsunamis starben 36.000 Menschen.
Das Epizentrum des Bebens vom Sonntag, dessen Stärke inzwischen mit 9,0 auf der Richter-Skala angegeben wird, liegt etwa 1.400 Kilometer nördlich vom Krakatau. Nach Angaben des britischen Geologen David Booth vom British Geological Survey lag es etwa zehn Kilometer unterhalb des Meeresbodens. Bei der Verschiebung der tektonischen Platten habe sich dabei der Meeresboden über eine Länge von mehreren hundert Kilometern um bis zu zehn Meter aufgewölbt. Dies habe dann die Tsunamis verursacht. Nach Beobachtung des japanischen Geologen Kenji Stake vom Active Faul Research Center in Tsukuba bildeten sich am Sonntag gar zwei Tsunamis. Sie verbreiteten sich westlich und östlich des in Nord-Süd-Richtung verlaufenden, etwa eintausend Kilometer langen Meeresgrabens. Bis der Tsunami in Sri Lanka und Südindien eintraf, dauerte es etwa zwei Stunden. Das wäre genug Zeit für Warnungen gewesen.
Erst im September soll nach einem Bericht der Agentur AP ein australischer Wissenschaftler auch für den Indischen Ozean ein Tsunami-Warnsystem vorgeschlagen haben, wie es bereits für den Pazifik auf Hawaii existiert. Doch auch dies war erst eingerichtet worden, nachdem es 1960 in Chile zu einer Katastrophe gekommen war.
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