: Bunte Särge gegen den Geiz
Der Trend zum Sparen trifft auch Bestatter, Steinmetze und Sarghersteller. Trauerfeiern und Blumenschmuck werden kleiner und osteuropäische Särge machen harte Konkurrenz
AUS BIELEFELDUWE POLLMANN
„Dieses Jahr war sehr ungünstig“, sagt Dirk Reineke und geht an einer Reihe von noch unlackierten Särgen vorbei. Seit 15 Jahren führt der Jungunternehmer eine Sargfabrik im lippischen Leopoldshöhe. Knapp 4.000 unterschiedliche Modelle hat das Familienunternehmen in dritter Generation in diesem Jahr in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen verkauft. „Aber das Geschäft ist rückläufig“, sagt Reineke. „Weil sehr viele Särge aus Osteuropa importiert werden, insbesondere aus Polen, Slowenien und Tschechien.“
Die billigen Kiefernholz-Särge aus dem Osten anstatt aus der heimischen Industrie wollten viele Kunden vor allem für Feuerbestattungen. In Folge dessen fiel in der Leopoldshöher Sargfabrik die Produktion in den vergangenen fünf Jahren um ein Fünftel. Von ehemals 20 Mitarbeitern mussten fünf entlassen werden. Denn mit den Preisen und Löhnen im Osten könne er nicht mithalten, sagt Dirk Reineke: „Dazu kommt, dass die Umweltauflagen, die die deutschen Hersteller erfüllen müssen, sehr viel höher sind und somit viel größere Kosten entstehen, als das für ausländische Mitbewerber der Fall ist.“
Ähnlich geht es anderen Sargfabriken. Vor zehn Jahren gab es in der für die Branche starken Region Ostwestfalen-Lippe noch 20 solcher Hersteller, heute sind es nur noch acht. Hunderte Arbeitsplätze gingen dort verloren. Aber auch bundesweit traf es die Sargindustrie stark. Während sie vor zehn Jahren noch über eine halbe Million Särge verkaufte, sind es laut Otto-Kurt Hollmann vom Verband der Deutschen Zulieferindustrie für das Bestattungsgewerbe (Bonn) in diesem Jahr nur noch 275.000.
40 bis 50 Prozent der hier verkauften Särge und Bestattungsartikel seien bereits Importware, so Hollmann. Und „mit großer Sorge“ sieht der Verbandsvorsitzende, dass immer mehr Bestatter Einkaufsgenossenschaften gründen, um den Importanteil zu erhöhen und mehr billige Waren vor allem aus Osteuropa hinzukaufen. Vielen Bestattern bleibt allerdings nichts anderes übrig, als den Billigtrend in der Branche mitzumachen.
Auch Bestatter wie Gerd Töpper aus Detmold kaufen seit einigen Jahren Särge aus den osteuropäischen Ländern. Vor allem seitdem das Sterbegeld, das vor zehn Jahren noch bis zu 4.000 Mark ausmachte, weggefallen ist, gebe es überall einen großen Kostendruck, sagt der Sprecher eines Bestatter- Netzwerkes: „Die Trauerfeiern werden kleiner, die ganze Ausstattung wird reduziert, Blumenschmuck und Grabpflege werden minimiert. Früher hieß es: Das hat die Oma sich verdient. Heute sagt man: Sie war immer so kniepig.“
In den größeren Städten machen den Bestattern vor allem immer mehr anonyme Urnenbestattungen zu schaffen. Darüber hinaus wächst die Anzahl der Sozialbestattungen, die die Kommunen für mittellose Angehörige übernehmen, sowie die Zahl der ordnungsamtlichen Bestattungen für Verstorbene, deren Angehörige nicht aufzufinden sind. Das bedeutet auch große Einbußen für Friedhofsgärtner wie für Steinmetze.
„Man merkt einen deutlichen Rückgang von aufrecht stehenden Grabmalen“, sagt der Bielefelder Steinmetz und Bestatter Uli Galling. „Die Leute kaufen, wenn überhaupt, eher Liegeplatten.“ Der Trend sei auf dem Land wegen der sozialen Kontrolle noch nicht so stark wie in der Stadt. Galling hält diese Entwicklung wie viele Unternehmer im Bestattungsgewerbe für eine Spiegelung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, doch er versucht dem Trend zu trotzen.
„Wir wollen zeigen, dass es bei Bestattungen nicht immer so altbacken sein muss“, grinst der Bestatter mit seinen längeren lockigen Haaren und führt in einer Ausstellungshalle eine Reihe von ungewöhnlichen Särgen und Urnen vor. Neben konventionellen einfach lackierten Eichen- und Kiefernwaren stehen dort bunte Särge – mal angemalt wie von Friedrich Hundertwasser, mal mit einem Fluss von Steinen versehen. „Und hier haben wir eine Seeurne“, hält Galling ein aus starkem Papier hergestelltes Schiffchen in der Hand, das in der Mitte einen verschnürten Karton trägt. „Das löst sich langsam im Meer auf.“ Mit solchen Ideen und Formen will er zeigen, dass Bestattungen auch ganz anders sein können.