: Vier Minuten mal Nichts
Alle sagen es, Rilke und vor kurzem wieder Peter Sloterdijk, dass man sein Leben ändern müsse, und als einen ersten Schritt auf dem Weg zur Veränderung könnte man zum Beispiel umziehen, was aber auch wieder Probleme schafft. Zumindest für die, die dann von da nach dort die Kisten tragen müssen mit den ganzen Schallplatten, die sich im Lauf der Zeit bei einem angesammelt haben. Es sind nicht wenige. In der Summe sind sie schwer. Und eigentlich doch nur ein sentimentaler Ballast in einer Zeit, in der man mit dem Vorsprung durch Technik wirklich gewaltige Schallarchive in allerkleinste Geräte stopfen könnte. Und schon wären die Plattenregale wieder leer, was man sich als befreiten Platz so vorstellen darf:
Diese Entmüllung sorgt doch gleich für etwas zenbuddhistische Gelassenheit, die man natürlich auch hören kann, zum Beispiel in der musikalischen Dematerialisierung im Stück „4’33‘‘“ von John Cage, bei dem es bekanntermaßen nichts zu hören gibt, weil halt hier vier Minuten und 33 Sekunden lang nichts gespielt werden soll, keine Note, nur Stille. Was aber nur ein kompositorischer Fingerzeig ist, dass es so was wie Stille gar nicht gibt, weil irgendwo immer etwas klappert, das potenziell bereits Musik sein könnte. Da muss man doch nicht immer noch seine eigenen Töne dazustellen.
Von dieser hübschen Komposition gibt es auch mehrere „Einspielungen“, zum Beispiel von Frank Zappa oder eine Jazzversion, die dann nur 90 Sekunden lang dauert, was man wohl als den Jazz-typischen Improvisationsansatz hören muss. Außerdem zollte man gerade in den experimentell ausfransenden Bereichen des Pop gern Tribut an Cages Stille-Ansatz. John Lennon und Yoko Ono machten es auf ihrem Album „Unfinished Music No. 2“, und Ciccone Youth – die Kollaboration von Sonic Youth mit Mike Watt –, die das Nichts einminütig als „(silence)“ auf ihr „The Whitey Album“ packten (am 21. Oktober kommen Sonic Youth übrigens in die Columbiahalle). Auch die französische Blackmetal-Band Blut aus Nord spielte die Stille aus, nach dem Titel „Inner Metal Cage“, auf ihrer Platte „The Work Which Transforms God“, und da gibt es noch eine Menge mehr (Liste auf Wikipedia zu 4’33‘‘, die englische Version), was man jetzt natürlich alles haben will. Als Sammler. Mit der Textlücke oben hat man sich dafür doch schon ein wenig Platz geschaffen.
Wer sich mit so was nicht mehr belasten möchte und trotzdem die Stille sucht: „4’33‘‘“ kann man auch bei iTunes herunterladen. THOMAS MAUCH