: Ein Stolperstein für Kroatiens EU-Beitritt
Der ehemalige General Ante Gotovina wird von dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gesucht. Im Land selbst ist er populär. Doch für die Aufnahmegespräche, die Mitte März beginnen, kann der Fall zu einem Problem werden
AUS SPLIT ERICH RATHFELDER
Nachdem am Montag ein Sprengsatz den Kopf des Denkmals für Josip Broz Tito in dessen kroatischem Heimatort Kumrovec zerrissen hat, zeigten sich viele ältere Menschen besorgt. In Kumrovec sind die Leute noch stolz auf den Antifaschismus des Gründers des kommunistischen Jugoslawiens nach dem Zweiten Weltkrieg. Doch für die meisten jüngeren Kroaten sind gerade jene zu Helden aufgestiegen, die den Krieg für die Unabhängigkeit von Jugoslawien 1992 bis 1995 geführt haben. Selbst dann, wenn einer dieser ehemaligen Generäle, Ante Gotovina, von dem UN-Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien in Den Haag gesucht wird.
Vor allem in Dalmatien hängen immer wieder Solidaritätsplakate mit dem Konterfei des Gesuchten an Tankstellen, in den Schaufenstern der Geschäfte oder an Hauswänden. Die Popularität Gotovinas hat zwar auch mit Regionalismus zu tun. Der 1994 zum Brigadegeneral ernannte Gotovina wurde 1955 auf der Adriainsel Pasman bei Sibenik geboren. Doch vor allem wurde Gotovina mit der „Oluja“, der militärischen Gegenoffensive 1995, als die kroatische Armee in weniger als 72 Stunden das seit 1992 von Serben besetzte Drittel des Landes zurückeroberte, populär. Gotovina befehligte den wichtigen Militärdistrikt im dalmatinischen Split. Und die Aktion war militärisch hervorragend organisiert.
Aber danach kam es zu Verbrechen an der serbischen Zivilbevölkerung. Das Tribunal in Den Haag spricht von 150 ermordeten Serben, vor allem hilflose, alte Leute starben damals. Und es wirft Gotovina und dem damaligen, Ende 1999 verstorbenen Präsidenten des Landes, Franjo Tudjman, vor, als Oberkommandierende nichts gegen diese kriminellen Übergriffe unternommen zu haben. Am 29. September 2000, nach dem Machtwechsel, der die Tudjman-Ära beendete, wurde Gotovina von dem damals neu gewählten kroatischen Präsidenten Stipe Mesic abgesetzt und aus dem aktiven Dienst entlassen.
Als Den Haag 2001 die Anklage gegen Gotovina bekannt gab, tauchte dieser unter. Und sicherlich konnte er fortan nicht nur auf kroatische Unterstützer rechnen. Denn der Gesuchte hat in seinem bewegten Leben in den Siebzigerjahren nicht nur in der französischen Fremdenlegion gedient, sondern war später ein Söldner mit Kontakten zu den rechtsradikalen Kreisen um Jean Marie Le Pen in Frankreich. Seine Spuren führen nach Afrika und Lateinamerika. Als er 1983 eine Bank in Paris überfiel, wurde er geschnappt und verschwand für eineinhalb Jahre im Gefängnis. Was ihn nicht davon abhielt, sich weiter in kriminellen und rechtsradikalen Kreisen zu bewegen, um sich schließlich 1991 der kroatischen Armee anzuschließen.
Die jetzige, vor einem Jahr gewählte konservative Regierung behauptet, sie wisse nicht, wo Gotovina sich aufhalte, und verweist auf die internationalen Kontakte des Gesuchten. Carla del Ponte will dies nicht glauben. Und die britische wie auch die niederländische Regierung wollen deshalb sogar Kroatiens Beitritt in die EU behindern. Zwar wurden Gespräche zwischen Brüssel und Zagreb über die Aufnahme des Landes in die EU für Mitte März vereinbart, doch Kroatien ist in Gefahr, zur Geisel Gotovinas gemacht zu werden.
Die Regierung müsste also ein großes Interesse daran haben, Gotovina nach Den Haag zu schicken. Doch ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung hält dennoch weiter zu dem rechten Exgeneral. Mesic, der sich am 2. Januar zur Wiederwahl stellende Präsident, schwimmt gegen diesen Strom, glaubt aber auch, Gotovina sei ins Ausland geflüchtet. Ausgerechnet die US-Regierung hat letzte Woche sogar ein Kopfgeld in Höhe von 5 Millionen Dollar für den Gesuchten ausgesetzt. Und steht damit dem geschändeten Antifaschisten Tito näher als manche in Kroatien und in der EU.