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Archiv-Artikel

Die Hilfsgüter drohen entlang den Fronten verteilt zu werden

In Sri Lanka hat die Flutwelle beide Bürgerkriegsparteien getroffen: Aber jetzt fürchten Tamilenorganisationen Benachteiligung durch die singhalesische Regierung

COLOMBO taz ■ Indien, der ungeliebte Nachbar, schickte als erstes Land materielle Hilfe für die Opfer in Sri Lanka. Insgesamt drei Schiffsladungen spendierte die indische Regierung. Auf einem riesigen Containerschiff kamen gestern auch Experten für Bergungsaktionen mit ihrem Gerät und zehn Hubschrauber, die für den Beistand in den unzugänglichen Gebieten besonders dringend gebraucht werden.

In Sri Lankas Hauptstadt Colombo, das von der Katastrophe weitgehend verschont geblieben ist, sind überall Hilfsaktionen angelaufen. Im eleganten Galle Face Hotel wurden Matratzenlager für Obdachlose eingerichtet, alle Religionsgemeinschaften haben ihre Gotteshäuser geöffnet und nehmen Spenden entgegen. Die Mitglieder der Nationalen Pressevereinigung haben einen Tageslohn spendiert und wollen, dass dieses Geld vor allem den Opfern im Osten und Norden zugute komme. Diese Gebiete sind die Heimat der tamilischen Minderheit und werden teilweise von der Tamilischen Befreiungsbewegung LTTE kontrolliert. Das ist auch der Grund, warum einige Spender nur dann etwas geben wollen, wenn es nicht an die Tamilen geht.

Die LTTE, die der Regierung misstraut, hat ein E-Mail-Kommuniqué an die Gebergemeinschaft geschickt, in dem sie voraussagt, dass ihre Leute bei der Betreung der Opfer zu kurz kommen werden. Sie bittet daher um Spenden direkt an tamilische Organisationen. In der Tat fällt auf, dass über den Norden und Osten, wo die Mehrzahl der Opfer zu beklagen ist, nur wenig Information kommt.

Die staatlich kontrollierten Medien haben sich in ihrer Berichterstattung auf den singhalesischen Süden konzentriert. Aber auch die LTTE, die sich in ihren Gebieten als Staatsmacht betrachtet, errichtet Hindernisse für unbürokratische Hilfe. Vertreter von nationalen NGOs, die Hilfsgüter in den Norden bringen wollten, klagen, dass sie von Partisanen nicht nur kontrolliert wurden. Diese wollten neben der Zulassungsnummer auch die Wagenpapiere überprüfen und schickten ein Fahrzeug zurück, das die Dokumente nicht komplett hatte. Aus Killinonchchi im Norden wird berichtet, Regierungssoldaten hätten gemeinsam mit LTTE-Kämpfern bei Aufräumungsarbeiten geholfen. Das dürfte ein Ausnahmefall sein. Die Katastrophe, die nicht zwischen Ethnien und Religionen unterschieden hat, solle als Chance für ein neues Miteinander dienen, wünscht sich Pater Oswald Firth, der Leiter der People’s Association for Peace and Development, die von europäischen kirchlichen Hilfswerken unterstützt wird. Er sieht aber derzeit nur wenig Ansätze dazu.

Aus der linksnationalistischen Singhalesenpartei JVP kam sogar die Forderung an Präsidentin Kumaratunga, die Schwächung der LTTE zu nutzen, um sie militärisch zu besiegen. Die Kriegsflotte der Rebellen, eine Mischung aus aufgerüsteten Fischerbooten und erbeuteten Schiffen der Marine und Küstenwache, soll durch die Flut weitgehend vernichtet worden sein. Jehan Perera, ein prominenter Journalist, glaubt allerdings nicht, dass die Regierung in der Stunde der nationalen Erschütterung die militärische Karte zieht, zumal auch die nationale Armee und Marine dezimiert wurden. Auswirkungen auf den Verhandlungsprozess, der zu Frieden und Teilautonomie führen soll, werden aber seiner Meinung nicht ausbleiben. Er vermutet, dass die LTTE die Drohung mit der Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes, mit der sie vor der Rückkehr an den grünen Tisch Druck machen will, nicht mehr aussprechen wird.

RALF LEONARD