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Archiv-Artikel

Kulturbühne NRW brennt im ganzen Land

Zahlreiche Skandale trüben das Kulturjahr 2004 – Castorf, Immendorf, Kölner Dom, Zollverein. Und die Kürzungen der Fördermittel gingen munter weiter. Nichts bleibt, woran man sich ungetrübt erfreuen konnte

Die allgemeine kulturpolitische Verwüstung breitete sich 2004 in NRW weiter aus. Die Armut unter den Kulturschaffenden auch. Das Abendland ging wegen der endlosen Kürzungen im Kulturhaushalt des Landes nicht unter – Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) hatte mit seinem peinlichen Ausruf im Wuppertaler Kultursekretariat Anfang des Jahres grundsätzlich wohl recht. Das lässt für das kommende Jahr nichts Gutes hoffen.

Ärgernisse gab es im vergangenen Jahr reichlich. Die Unfähigkeit der Kölner Stadt-Politiker, ihre dahin siechende Metropolen-Kultur in den Griff zubekommen, ist die never ending story, die auch ins nächste Jahr hinüberschwappt. Der Kölner Polit-Klüngel hat nicht nur die Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas versiebt, er war auch nicht in der Lage, wichtige Schlüsselpositionen in Museen und Kulturamt neu zu besetzen. Darüber täuscht dann auch die noch laufende Edward Hopper Event-Ausstellung im Museum Ludwig nicht mehr hinweg.

Ähnlich dilettantisch ging man im Ruhrgebiet mit den ehrwürdigen Ruhrfestspielen um. Der Berliner Volksbühnen-Zampano Frank Castorf sollte das Schnarchfestival in eine neue Zukunft führen, doch er scheiterte am Provinzmief Recklinghausens und des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Bereits nach einer Spielzeit schickte ihn der Aufsichtsrat in die Wüste. Der ausgebootete NRW-Kulturminister Michael Vesper (Grüne) schäumte. Castorf ging vors Arbeitsgericht. Die Gesellschafter aus Berlin und Recklinghausen lachten, doch kürzlich boten sie beim ersten Vergleichsangebot Geld und eine Inszenierung. Die unrühmliche Fehde nutzte im Sommer der erste RuhrTriennale-Chef und Musiktheater-Experte Gerard Mortier, der maßgeblich an Castorfs Inthronisierung beteiligt war, für seinen donnernden Abgang an die Pariser Oper. Neuer Intendant wurde der Jürgen Flimm, Noch-Salzburger Festspielleiter aus Klüngel-Köln, womit sich der erste Kreidekreis des Jahres schließt.

Die zweite unrühmliche Demontierung eines renommierten Kulturschaffenden endete in diesem Jahr vor einem Düsseldorfer Gericht. Kunstprofessor und Malerstar Jörg Immendorff musste sich wegen eines Kokain-Happenings in einer Nobelherberge verantworten. Dem Vorsitzenden Richter machte das Verfahren sichtlich Freude, keine noch so überflüssige intime Frage wollte er auslassen. Rausgekommen ist unter Blitzlichtgewitter für den an unheilbarer Nervenlähmung ALS schwer erkrankten Immendorff nur eine Geld- und Bewährungsstrafe, auch an der Kunstakademie darf er weiter bleiben. Seine Euros gingen an ein Tierheim, nicht in die ALS- Forschung: Der Richter hatte jedenfalls seinen Spaß.

Am Ende des Kultur-Jahres brennt es im ganzen Land. Der Kölner Dom soll seinen Status als Weltkulturerbe verlieren, die Zeche Zollverein in Essen auch. In beiden Fällen erheben Denkmalschützer schwere Vorwürfe. Auch den neuen Konzerthäusern im Ruhrgebiet geht es nicht gut. In Dortmund muss die Stadt bereits nach einer Spielzeit über eine Million Euro nachschießen. Die Bewerbung des Reviers um die Kulturhauptstadt Europas gerät ins Stocken. Der Industriedenkmal-Tourismus auch. Und der Kulturetat des größten Bundeslandes bleibt wo er ist. Bei einem peinlichen Anteil von 0,27 Prozent des Gesamtkuchens.

PETER ORTMANN