: Industrie mit sich zufrieden
Ausbildungs-Bilanz: Mehr Lehrstellen als im vergangenen Jahr bereitgestellt. Der bundesweite Ausbildungspakt trägt erste Früchte. Nur die unterbezahlten Betriebspraktika will keiner haben
VON BORIS R. ROSENKRANZ
Offenbar trägt der im Juni geschlossene Ausbildungspakt zwischen Wirtschaftsverbänden und der Bundesregierung auch im Ruhrgebiet erste Früchte. Die Düsseldorfer Industrie- und Handelskammer (IHK) jubelte gestern, im Vergleich zum Vorjahr seien rund 470 weitere Lehrstellen besetzt worden – doppelt so viel als im Ausbildungspakt gefordert.
Auch im restlichen Ruhrgebiet zeichnet sich eine positive Tendenz ab: „Wir haben das Soll an Ausbildungsplätzen übererfüllt“, sagte Claus-Dieter Weibert von der IHK Dortmund auf Anfrage der taz. Probleme haben die IHK allerdings mit der Vermittlung von zwölfmonatigen Bertriebspraktika, in denen insbesondere Jugendlichen mit schlechten oder gar keinem Abschluss der Einstieg in den Arbeitsmarkt ermöglicht werden soll. Das Praktikum könnte später, im Falle einer Übernahme oder Weitervermittlung, auf die Ausbildungszeit angerechnet werden. In Düsseldorf wurden rund 350 dieser berufsqualifizierenden Stellen geschaffen, aber nur 80 bislang besetzt. In Dortmund und Bochum ist die Situation ähnlich: Weibert von der Dortmunder IHK spricht von 430 Plätzen, doch nur 100 Interessenten. In Bochum sind es 250 Plätze und 25 Praktikanten.
Für den Düsseldorfer Kammerpräsidenten Hermann Franzen liegt der Grund für die Un-terbesetzung der Praktikumsstellen auf der Hand. Die Schuldigen sind für Franzen die Jugendlichen, denen er „mangelnde Leistungsbereitschaft“ und „erhöhtes Anspruchsdenken“ vorwirft. Weibert vermutet, dass Jugendliche schlicht nicht gewillt sind, für die Minimalvergütung zu arbeiten – der Monatslohn für ein Praktikum beträgt 192 Euro. Das sei der „Pferdefuß“, räumt auch Gregor Berghausen von der Düsseldorfer IHK ein: „Viele Jugendliche bleiben lieber auf der Ausbildungssuche, als in eine Einstiegsqualifikation zu gehen.“ Dabei müsse vor allem bei so genannten Marktbeteiligten – laut Berghausen jene Jugendlichen, „die irgendwo einen Haken haben“ – etwas passieren.
Berghausen weiß auch, dass es mit einer ersten, zumindest teilweise positiven Bilanz nicht getan ist: „Der Ausbildungspakt dauert drei Jahre“, sagt Berghausen. „Wir sind hier noch nicht über den Berg.“ So sollen bundesweit pro Jahr 30.000 neue Ausbildungsplätze und 25.000 Einstiegs-Qualifizierungen zur Verfügung gestellt werden. Ein „großer Angriff auf die Arbeitslosigkeit“ wie Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) den Ausbildungspakt nannte. Clement sieht seine Pflicht bereits nach dem ersten Jahr erfüllt: Anfang Dezember nannte er die positive Zwischenbilanz zum Ausbildungspakt „sehr ermutigend“. Für Clement hapert es nun vor allem daran, dass Schulabsolventen unvorbereitet auf die Arbeitssuche geschickt werden. Deshalb forderte Clement Eltern und Lehrer unlängst dazu auf, Jugendliche besser auf das Berufsleben vorzubereiten.