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Archiv-Artikel

Frauen geben den Schritt vor – und folgen

Schülerinnen der einzigen Kölner Tanzschule nur für Frauen lernen den fließenden Rollenwechsel. Für Claudia Reger von „Swinging Sisters“ steht fest, dass Frauen Raum für sich brauchen. Gelehrt werden Standardtänze, aber auch Salsa

Köln taz ■ „Hoffentlich habt ihr genug Puste, denn jetzt machen wir den Jive“, feixt Claudia Reger ins Mikrofon und legt „It's got to be perfect“ auf. Die zehn Frauenpaare auf der Tanzfläche gleiten dahin, bei manchen sieht die Bewegung eher nach einem Hüpfen aus. Einige trauen sich schon eine Drehung. Claudia Reger steht hinter der Musikanlage und gibt Kommandos. Jetzt ist es so weit: Der Führungswechsel ist dran – ausgerechnet bei der Figur, die sich „die Peitsche“ nennt.

„Rück, Platz, Wechselschritt, Kreuz, Platz, Schritt, Schritt. Jetzt Wechsel!“, spricht Claudia Reger ins Mikrofon. Wer eben noch den Schritt vorgegeben hat, soll sich jetzt in die Tanzhaltung der Folgenden begeben, und umgekehrt. Das rumpelt am Anfang, links und rechts geraten durcheinander, Schritte werden verwechselt, die Orientierung wird neu sortiert. „Führst du oder folgst du?“, fragt eine die andere.

Wo Rollen nicht vorab verteilt sind, bedarf es der Verständigung. „Beim Rollenwechsel muss jede Figur neu eingeübt werden“, weiß Ann Marie. Sie hat mit ihrer Partnerin ein Abkommen getroffen: „Sie führt bei den Lateintänzen, ich bei den Standardtänzen.“ Dann lernen die Folgenden, ihre Partnerin zu drehen: beim „American Spin“. „Drückt eure Partnerinnen kräftig ab“, instruiert die Tanzlehrerin – und muss sofort abbremsen: „Halt, halt, werft sie nicht so!“

Sieben Uhr abends an einem Dienstag. Seit einer halben Stunde drehen sich zehn Paare im großen Tanzsaal. „Swinging Sisters“ ist Kölns einzige Tanzschule nur für Frauen. Doch das Klischee von den Feministinnen in Ökolatschen trifft hier nicht zu. Fast alle tragen Tanzschuhe mit halbhohen Absätzen. Ein anderes Klischee trifft zu: Der Anteil der Rockträgerinnen liegt bei null. Denn das angeblich so frauliche Textil würde nur die Bewegungsfreiheit einschränken.

Die Dienstags-Tänzerinnen sind Fortgeschrittene. „Wir sind alle schon seit anderthalb Jahren dabei“, sagt Brigitte. Moment mal – anderthalb Jahre? Die Tanzschule feierte doch Ende November erst ihr Einjähriges! Wie sich herausstellt, hat Lehrerin Claudia Reger schon vor zehn Jahren begonnen, im Kölner Schwulen- und Lesbenzentrum „Schulz“ Frauentanzkurse zu geben. Als das Schulz geschlossen wurde, musste sie überlegen, wie es weiter geht. „Aber die Nachfrage war ohnehin so groß geworden, dass die Räume im ‚Schulz‘ nicht ausreichten“, sagt Claudia Reger.

Sie investierte und nahm ihre Stammkundinnen von der Südstadt mit nach Bickendorf. An die 200 Frauen drehen sich regelmäßig im Walzertakt, gehen den Paso Doble, hüpfen den Jive. Das Programm umfasst die zehn Standard- und Lateintänze, wie bei normalen Instituten. Am Wochenende kommen Workshops für Salsa, Tango und Modetänze hinzu, an denen noch mal etwa 50 Paare teilnehmen.

Claudia Reger ist mit diesen Kundinnenzahlen zufrieden. „Für das Startjahr schon ganz gut. Aber es müssen noch mehr werden.“ Sie will gezielt Schülerinnen und ältere Frauen werben. Und: „Es kommen immer noch zu wenige heterosexuelle Frauen. Sie schätzt den Anteil der „Heteras“ auf zehn Prozent.

Andrea und Martina finden es absolut in Ordnung, dass im Dienstagsclub nur lesbische Frauen sind. Die beiden tanzen schon seit zehn Jahren zusammen, acht davon beim schwul-lesbischen Tanzverein „Seitenwechsel“. „Dort sind wir weggegangen, weil der Verein plötzlich um Heteropaare warb“, sagt Martina. Bei den „Swinging Sisters“ fühlen sie sich gut aufgehoben: „Hier haben wir den Schonraum, den wir wollen.“

Dass Frauen Raum für sich brauchen, ist auch Claudia Reger klar. „Frauen tanzen anders, wenn Männer dabei sind“, hat die Tanzlehrerin beobachtet. „Sie machen sich schnell klein, nehmen zu viel Rücksicht.“ Männer seien immer noch die dominanteren. Und so manche, die von ihrem männlichen Tanzpartner schlecht geführt wird, will insgeheim nur allzu gern wissen, wie das ist, einmal selbst den Schritt vorzugeben. Silke Freude

www.swinging-sisters.de