Am Ende der Falsche

Neues Theater: Der Schriftsteller Christoph Hein verzichtet auf die Intendanz des Deutschen Theaters in Berlin

Gerade schien mit der Ernennung von Michael Schindhelm zum Chef der Berliner Opernstiftung ein Hauch von Frieden in die Berliner Kulturpolitik einzukehren, nun steht Kultursenator Thomas Flierl vor einem mittleren GAU: Christoph Hein, der ab 2006 Intendant des Deutschen Theaters werden sollte, hat das Handtuch geworfen.

In einer Pressekonferenz am Mittwoch beklagte Hein das feindselige, diffamierende Klima nach seiner Ernennung, das es ihm letzten Endes auch unmöglich gemacht habe, hochrangige Künstler für eine Arbeit am Deutschen Theater zu gewinnen. Diese hätten befürchten müssen, die heftige Kritik in vielen Feuilletons an seiner Berufung könne auch auf die Beurteilung ihrer Arbeit abfärben. Namen von Künstlern, die deshalb nicht mit ihm zusammenarbeiten wollten, nannte er nicht. Auch der Förderverein des Deutschen Theaters habe das Gespräch mit ihm ausgeschlagen und stattdessen massiv öffentlich gegen ihn Stellung bezogen. Der Vorsitzende des Vereins habe Gespräche sogar mit dem Hinweis abgelehnt, er sei mit Noch-Intendant Bernd Wilms befreundet. Um weiteren Schaden vom Deutschen Theater abzuwenden, habe Hein sich deshalb entschlossen, die Intendanz zurückzugeben. Kultursenator Flierl sprach von einem Schlag, machte aber auch keinen Hehl daraus, dass er Heins Entscheidung nachvollziehbar findet.

Die Heftigkeit, mit der seine Entscheidung für Hein als drohender Rückfall in einen antiliberalen Kunstdirigismus diffamiert worden sei, habe auch ihn schockiert. Inzwischen hat Flierl eine Findungskommission berufen, die ihn bei der Suche nach einem neuen Intendanten beraten soll. Zu der Kommission gehören Thalia-Intendant Ulrich Khuon, der Intendant des Schauspiel Leipzig, Wolfgang Engel, und die künstlerische Direktorin der Kulturstiftung des Bundes, Hortensia Völckers.

Mit seinem Rückzug hat Christoph Hein auch seinen Anhängern bewiesen, dass er letztlich der Falsche war. Dass die DT-Intendanz kein Spaziergang werden würde, wurde spätestens seit dem öffentlichen Geschrei klar, das nach jener berüchtigten Sitzung des Ausschusses für kulturelle Angelegenheiten am 19. Juli ausgebrochen war, in der Flierl seinen Anspruch angemeldet hatte, inhaltlich und personell Maxim Gorki und Deutsches Theater neu zu profilieren.

Heins jetzt abgegebene Erklärung, er habe gehofft, fünfzehn Jahre nach Ende der Teilung würde es ihm gelingen, das Deutsche Theater weder als ostdeutsches noch als westdeutsches Theater, sondern eben als Deutsches Theater zu leiten, klingt vor dem Hintergrund der Ost-West-Debatten, die ihren ersten Höhepunkt bereits lange vor seiner Ernennung erreicht hatten, mehr als naiv. Es soll ja Theaterleute geben, die ein feindliches Klima erst zur Höchstform antreibt. Auch hätte man gern gewusst, welche Regisseure in Zeiten wie diesen den Theaterskandal so sehr fürchten, dass sie gar nicht erst zum Inszenieren antreten möchten, weil ihnen ein Intendant in spe nicht mehr als einen FAZ-Verriss versprechen kann, wie Hein mit belegter Stimme zu Protokoll gab. Da soll ja schon deutlich Schlimmeres passiert sein. ESTHER SLEVOGT