: Das Elend der Comedy
Die deutsche Comedy ist 2004 den Bach runtergegangen. Drei aktuelle Beispiele aus dem von Sat.1 verbrochenen „komischen Jahresrückblick“, die erklären könnten, warum es kam, wie es kam
VON HANNAH PILARCZYK
„Wenn Babys auf die Welt kommen, können sie kein Wort Deutsch – genauso wie Immigranten und Spätaussiedler“
Hans Werner Olm (alle Zitate aus der gestrigen Sat.1-Gala: „Wer zuletzt lacht …“)
Die deutsche Comedy tritt von oben nach unten. Von der vermeintlichen gesellschaftlichen Mitte holt sie zum Rundumschlag aus, auf das Randgruppen auch sicher auf Armlänge Abstand vom deutschen Humorgut halten. Das war schon immer so und hat zumindest das Verdienst, dass das echte politische Kabarett im deutschen Fernsehen nicht völlig seine Existenzberechtigung verloren hat.
Im Hartz-IV-Jahr 2004 wurden nun oben und unten, Mitte-Mäßigkeit und Marginalität einmal kräftig durchgewirbelt – eigentlich Stoff für eine Fülle richtig böser Witze. Doch deutsche Comedians ließen die Montagsdemos kommentarlos vorbeiziehen. Stattdessen weiter Zoten, die auch in der Summe eines Jahres kein Standardsatz Arbeitslosengeld II wert sind. Einzige Ausnahme: der Neukölln-Komödiant und Aufsteiger des Jahres Kurt Krömer. Auf kassenbebrillter Augenhöhe nahm er es in der „Kurt Krömer Show“ (RBB) mit den kleinen Größen der Problemkieze auf. Doch auch dieser Lichtblick ist getrübt:
„Bei uns würden die UNO-Waffeninspektoren auf jeden Fall was finden. Wir haben ja die Biowaffe Angela Merkel“ Kurt Krömer
Für weibliche Comedians war 2004 ein denkbar schlechtes Jahr. Wieder gab es nur Witze über statt von Frauen. Anke Engelke scheiterte mit ihren Gags vor, in und nach der Mitte ihrer „Late Night“. Bezeichnend: Häufigster Gast war Mario Barth – Autor des Lexikons „Deutsch – Frau, Frau – Deutsch“. Dabei war die fehlende Präsenz von Frauen in Comedy-Shows eines der Erkenntnisse, mit denen die Sender 2004 gestartet waren. Ergebnis aller Anstrengungen bei Sat.1: der verzweifelte Versuch, Janine Kunze als die smarte Variante von Gaby Köster aufzubauen. Dass das nichts werden konnte, war Sat.1 wohl schon von Anfang an klar. Schließlich wurden die offenbar nicht von selbst erkennbaren Vorzüge von Janine Kunze gleich zum Titel der Serie („Frech wie Janine“) .
Immerhin erhielt Hella von Sinnen erstmalig eine eigene Comedy-Show. Zusammen mit Dirk Bach, der nach seiner Dschungelshow-Moderation vom ZDF gekickt wurde und deshalb von RTL ehrenhalber verarztet werden musste, bestritt die sechs Folgen von „Hella und Dirk“. Eine Lesbe und ein Schwuler, die in den gleichen Kostümen auftreten und in den besten Momenten nicht auseinander zu halten sind – mit viel gutem Willen konnte man der Sache etwas Gender-bender-Haftes abgewinnen. Witzig war das aber auch nicht.
Bleibt der Überraschungshit „Schillerstraße“ mit Cordula Strathmann (Sat.1). Von Georg Uecker („Lindenstraße“) souffliert, muss Strathmann spontan neue Handlungsstränge ein- und aufbauen. Das begeisterte nicht nur das Publikum, sondern vor allem auch RTL: Ab dem 7. Januar soll deshalb Mike Krüger mit „Frei Schnauze“ so ziemlich genau dasselbe machen. Nichts Neues also für 2005 in Sicht – und schon gar keine Hoffnungsträger.
„Als Ailton bei der Meisterschaftsfeier von Werder Bremen nackt in den Pool sprang, habe ich mich die ganze Zeit gefragt: Ist das noch sein Penis – oder schon sein Oberschenkel?“ Oliver Pocher
Der Zeitschrift Max zufolge ist Oliver Pocher „Deutschlands Promi Nummer eins“. Womit das ewige Nachwuchstalent Pocher nach zahllosen Gastauftritten bei „tv total“, „Anke Late Night“ und eigener Pro 7-Show endlich den Durchbruch geschafft haben sollte? Dafür, dass er in Werbespots neben drallen Blondinen steht und ihnen sein Becken entgegenstößt?
Einziger Hoffnungsschimmer: Der Schoß, aus dem das kroch (Viva), ist definitiv nicht mehr fruchtbar.