: Immer mehr Kölnerinnen und Kölner tappen in die Schuldenfalle
Die Kölner Schuldnerhilfe verzeichnet für das Jahr 2004 einen deutlichen Zuwachs von Ratsuchenden. Immer mehr Menschen sind überschuldet und geraten so nicht nur in finanzielle, sondern auch psychische Probleme. Auch Privatpersonen bleibt oft als letzter Ausweg nur der Gang zum Insolvenzrichter. So verfallen die Schulden nach sechs Jahren
KÖLN taz ■ Reiseveranstalter offerieren „Urlaub auf Pump“, Tchibo vergibt zinslose Weihnachtsdarlehen und Kreditkartenunternehmen werben mit Slogans wie „Die Freiheit nehm' ich mir“. Das klingt in manchen Ohren nach Schlaraffenland. Auch wer klamm ist, so die Botschaft der Werbung, brauche nur zuzugreifen und könne sich trotz eines leeren Portmonees fast alles leisten. Kaufen auf Raten ist gängige Praxis, Schuldenmachen längst gesellschaftsfähig.
Doch für viele steht am Ende ein bitteres Erwachen. Die Zahl derer, die überschuldet sind und aufgenommene Kredite nicht mehr zurückzahlen können, steigt auch in Köln stetig. Die Schuldnerhilfe Köln, ein seit 16 Jahren bestehender gemeinnütziger Verein, spürt das an einem wachsenden Beratungsbedarf. „Wir sind völlig ausgelastet“, sagt Barbara Bartuschat, eine von elf BeraterInnen bei der Schuldnerhilfe. Im Jahr 2003 sei die Zahl der Ratsuchenden in Köln um fast zwölf Prozent gestiegen. Auch in diesem Jahr seien es wieder mehr geworden, die sich oft völlig verzweifelt an die Schuldnerhilfe wenden.
Die weist ihren Klienten verschiedene Wege aus der Schuldenfalle. „Zuerst einmal wird aufgelistet, was überhaupt für Schulden da sind. Dann wird überlegt, wie man die abtragen kann, und als nächstes müssen individuelle Vereinbarungen mit den Gläubigern getroffen werden“, erzählt Bartuschat. Wenn gar nichts mehr ginge und außergerichtliche Einigungsversuche gescheitert seien, könne man auch als Privatperson Insolvenz anmelden. Ein Treuhänder sammele dann das pfändbare Einkommen und verteile das an die Gläubiger. „Nach ungefähr sechs Jahren ist man schuldenfrei – egal wie viel bis dahin abbezahlt ist“, so die gelernte Diplomkauffrau weiter.
Am Anfang stehe aber zunächst eine psychosoziale Beratung. „Vielen Klienten muss man erstmal völlig überzogene Ängste nehmen, beispielsweise vor einer Gefängnisstrafe“, weiß Bartuschat. „Oder vor ungeöffneten Rechnungen.“ Manche der Ratsuchenden hätten seit Monaten keine Briefe mehr geöffnet, um sich nicht mit immer neuen Schulden zu konfrontieren, was natürlich fatale Folgen hat. Denn zu den offenen Beträgen kommen die Mahngebühren. So steigt der Schuldenpegel weiter.
„Überschuldete Menschen sind oft völlig handlungsunfähig“, bestätigt auch Kölns Sozialdezernentin Marlis Bredehorst (Grüne). Ein ganz besonderes Problem sei das in Verbindung mit Langzeitarbeitslosigkeit, denn viele der zukünftigen Arbeitslosengeld-II-Empfänger seien dadurch gar nicht vermittlungsfähig. „Fast die Hälfte ist überschuldet und braucht erstmal eine Schuldnerberatung, die wir deshalb seit drei Jahren direkt im Jobcenter des Arbeitsamtes anbieten“, so Bredehorst.
Dort wird in ersten Gesprächen gemeinsam die Schuldensituation skizziert und ein Weg zur Entschuldung gesucht. „Bei höheren Schulden, so ab 10.000 Euro, schickt das Jobcenter die Schuldner zu externen Schuldnerberatungen, wie die Schuldnerhilfe Köln sie anbietet oder der Sozialdienst Katholischer Männer“, erklärt Bredehorst. Diese werden unter anderem von der Stadt Köln finanziert.
„Wir haben die Wichtigkeit der Schuldnerberatung erkannt und pumpen da relativ viel Geld rein – auch in Zeiten leerer Kassen“, sagt die Sozialdezernentin. Für das nächste Jahr verspricht Bredehorst sogar eine Budgeterhöhung. Im Zuge von Hartz IV stünden dann auch Bundesmittel zur Verfügung, die zum Teil in die Schuldnerberatung fließen könnten. Christiane Martin