Der doppelte Bauingenieur

Die TU Harburg soll Studiengänge, Personal und Geld abgeben an neue Konkurrenz-Hochschule im Hafen. Industrie warnt vor „Kannibalisierung“

Ulrich Killat spricht von einem „Drama“. Der Vizepräsident der Technischen Universität (TU) Harburg meint ein Prestigeprojekt des CDU-Senats: Die Neugründung der Bau-Hochschule in der Hafencity. Nicht nur, dass die TU ihre Stadtplaner dorthin abgeben soll. Weitere Verluste drohen durch „Davoneilen der Bauingenieure“, so Killat. Denn diese soll die Hafen-Uni ebenfalls ausbilden. Für eine „Doppelung“ aber, warnt der Bauindustrieverband Hamburg, „ist keinerlei Bedarf erkennbar“. Das Angebot trotzdem zu vergrößern, ist „grotesk“, rügt Killat, „und für die TU schwer zu verkraften“.

Vor zwei Jahren hatte die „Dohnanyi-Kommission“ empfohlen, die Studiengänge der Kunsthochschule (HfBK) und der Fachhochschule (HAW) unter deren Dach zu bündeln. Mit den Geomaten und Bauingenieuren der HAW sollten sie eine Sektion „Bauen“ in der City Nord bilden. Was jetzt geplant ist, wird indes teuer. Aus einem 280 Millionen Euro schweren Sonderinvestitionstopf will der Senat die neue Bau-Lehrstätte finanzieren.

Dem Beschluss war jahrelanger Streit zwischen HAW und Kunsthochschule vorausgegangen, die sich gegen den Umzug gewehrt hatte. Ungefragt muss nun auch die TU mit ihren Stadtplanern an die Hafen-Uni rund 440 ihrer insgesamt 5.300 Studierenden, ein Zehntel ihrer Professoren und einen Verwaltungskostenanteil abgeben. Der Fachschaftsrat der Stadtplaner lehnt den Umzug ab, weil er um die Interdisziplinarität im Studium bangt. So ginge es darin „um mehr als nur die bauliche Gestaltung städtischer Räume“, heißt es in einem Protestbrief an Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos). „Auch Wirtschafts- und Sozialwissenschaften spielen eine zentrale Rolle.“

Viel schwerer aber wiegt aus Harburger Sicht der Senatsplan, einen zweiten Bauingenieursstudiengang zu etablieren, für dessen Absolventen es keinen ausreichenden Markt gibt. Selbst die Dohnanyi-Kommission hat angemahnt, rund 25 Prozent weniger Bauingenieure in Hamburg auszubilden. Wegen des Standortvorteils der neuen Uni im Stadtzentrum befürchtet die TU den Verlust etwa eines Viertels ihrer Studierenden. Weil die Hochschulen nach der Höhe ihrer Absolventenzahl finanziert werden, „können wir uns dann eine Bauausbildung nicht mehr leisten“, so Killat. „Wir haben nicht geahnt, dass unser Tafelsilber von anderen zur Verfügungsmasse gestempelt wird.“

Das Doppelangebot schaffe „eine Kannibalisierungssituation, die Hamburgs universitäre Bauingenieursausbildung nur schwächt“, warnt auch Bauindustrieverbandschef Friedrich Oeser. Der Hochschulrat der TU appelliert darum an Senator Dräger, die „sachlich wie wirtschaftlich bessere Lösung“ zu überdenken, die neue Lehrstätte von den Harburgern regieren zu lassen. Das aber lehnt die Behörde ab.

„Die Befürchtungen der TU sind unbegründet“, sagt Drägers Sprecherin Sabine Neumann, weil sich die Profile der beiden Studiengänge unterschieden. So solle im Hafen schwerpunktmäßig Hochbau gelehrt werden. Südlich der Elbe stünden hingegen Verfahrens- und Umwelttechnik im Fokus. Die TU-Absolventen bauten etwa „Bewässerungssysteme in exotischen Ländern“, so Neumann. „Diese Abgrenzung ist nicht möglich“, erregt sich Killat und betont, dass nahezu 70 Prozent der an der TU ausgebildeten Bauingenieure im Hochbau tätig seien. „Alles andere sind fast bösartige Falschmeldungen.“ Eva Weikert