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Archiv-Artikel

Die blaue Witwe

Pilcher für „Capital“-Abonnenten: Im Dreiteiler „Die Patriarchin“ (ZDF, heute, 3. und 5. 1., 20.15 Uhr) geht ein Ruck durch Iris Berben

VON SILKE BURMESTER

Das ZDF zeigt sich mit seiner Produktion „Die Patriarchin“ seiner Verantwortung als öffentlich-rechtlichem Sender bewusst: wertkonservativ einerseits, Eigeninitiative als Ausweg aus dem Hartz-Desaster aufzeigend andererseits. Hanseatische Kaufmannstradition wird gegen globale Marktmechanismen ins Feld geschickt. Mit im Spiel: Frau gegen Flasche, Kaffee gegen Schnaps, Family-Values gegen Familiengeheimnisse – Psycho-Guru Bert Hellinger hätte seine Freude daran.

Iris Berben spielt Nina Vandenberg, die der Trunkenheit verfallene Gattin eines Hamburger Kaffeehändlers, der tödlich verunglückt. Die blaue Witwe findet sich unversehens in einem Geflecht von Steuerhinterziehung und Doppelleben wieder und übernimmt, um die eigene Haut und das Familienunternehmen zu retten, die Firma. Ganz ohne Vorkenntnisse versteht sich, lediglich ausgerüstet mit „etwas, das man nicht lernen kann: Du hast Mitgefühl, und du hast ein Herz“, wie ihr Schwiegervater weiß. Entgegen aller ökonomischen Vernunft schaltet und waltet sie, gerade so, wie ihr soziales Empfinden es ihr gebietet. Sie macht kurzerhand alle zuvor gefällten Entlassungspläne rückgängig und verhält sich so überaus gut, wie kleine Mädchen es im Märchen gegenüber geschundenen Wesen tun.

Dabei wird das Pech kübelweise über ihr ausgeschüttet. Keine Unwegbarkeit, die Autor Christian Schnalke ihr nicht zugebilligt hätte, selbst die eigene Brut stellt sich gegen die Mutter. Hin und her geworfen zwischen Willen und Resignation, zwischen Entschlossenheit und Hingabe an die Sucht pendelt Vandenberg auf der Suche nach der Wahrheit und dem verschwunden Geld. Letzteres verkommt zur Bagatelle im Angesicht eines Familiengeheimnisses, dessen Lüftung durchaus hätte beschleunigt werden können, hätte Familienaufsteller Hellinger ein Wörtchen mitzureden gehabt. So aber bekommt der Zuschauer wenigstens ein paar Bilder von Afrika zu sehen und eine Iris Berben, die als Alkoholikerin wenig taugt, als Steh-auf-Frau aber überzeugt.

Man könnte fragen, was soll das? und sagen: Schmonzette. Rosamunde Pilcher für Capital-Abonnenten. Doch tatsächlich rührt das ZDF mit seiner an die 70er-Jahre-Tradition der Familiensaga erinnernden Dreiteiler ein Thema von gesellschaftlicher Relevanz an: Das Verschwinden des verantwortungsvollen, seiner sozialen Aufgabe bewussten, Unternehmers. Schnalke lässt, wenn auch auf überhöht naiver Weise, aktuelle Management-Strategien mit sozial verantwortlicher Unternehmensführung kollidieren und den Verlust erahnen, den der Kulturwandel langfristig bringen wird. Wertkonservativ wie die Mainzer sind, ist es eine Frau, die für die soziale Verantwortung steht, die die Kaffeebohnen aus dem Feuer holt, das die Männer in ihrer Machtbesessenheit global schüren. Doch Mühe allein genügt nicht, ist eine der ersten Regeln, die Nina Vandenberg lernen muss. Im Big Business mitzuspielen, heißt einzudringen in ein Jagdrevier, in dem Frauen allenfalls als Beute vorkommen. Ihre Gegenspieler, allen voran ihr Cousin (wie immer gut: Christoph Waltz), lassen sie dies spüren und führen sie vor, wann immer es nur geht.

So gibt Iris Berben die zunächst durch den Ehemann, dann durch die Geschäftspartner gedeckelte Frau, die gegen unsichtbare Wände läuft und deren Tatendrang wie ein Bumerang der Ohnmacht zu ihr zurückfliegt. Doch pünktlich zu Hartz IV öffnet das ZDF das Säcklein mit dem Ruck drin, der durch Deutschland gehen muss und schüttet die Erkenntnis aus, dass Frauen retten können, was Männer versieben. Wenn sie aufhören zu trinken. Wenn sie auf die richtigen Herren hören. Und wenn sie so attraktiv sind wie Iris Berben.