folgen der flut : Ferntourismus mit Verantwortung
Touristen in der Katastrophenregion, die von der Flut nicht unmittelbar betroffen waren und ihren Urlaub einfach fortsetzen, sind dieser Tage einer enormen Geringschätzung ausgesetzt. Deutsche Reisekonzerne stoßen auf den höhnischen Vorwurf, im Grunde nur aus Eigeninteresse zu handeln, wenn sie zu Ferien am Indischen Ozean aufrufen, weil dies die beste Form des Wiederaufbaus sei. Und wer umgekehrt aus ökologischen Gründen die Massenreisen von Kontinent zu Kontinent für unerwünscht hält, muss derzeit aufpassen, sich nicht den Vorwurf einzuhandeln, er funktionalisiere aus Rechthaberei den Tod tausender von Feriengästen.
KOMMENTAR VON DIETMAR BARTZ
Die Emotionalität, mit der nun über den Charakter von Fernreisen – und über den der Fernreisenden – gesprochen wird, rührt auch daher, dass jeder von uns hätte dort sein können: als Massen- oder Rucksacktourist, im exquisiten Resort oder in der Billigabsteige. Darin liegt auch begründet, warum der Ferntourismus mit dieser Katastrophe seinen Charakter verändert hat.
Vor der Flutwelle galt er vielen als eine Errungenschaft, für dessen Hintergründe man sich lieber nicht interessierte. Tatsächlich pflegt zu viel Wissen um soziale, politische und ökologische Hintergründe den Ferienspaß eher zu verderben. Jetzt aber ist der Ferntourismus anpolitisiert. Der Schock über das gemeinsame Leid durchbricht die Abgrenzung der Touristen von der einheimischen Bevölkerung und das Desinteresse an ihrer Lebenswirklichkeit – sonst das Standardmodell vieler Fernurlaube. Dieser Zusammenhang taucht auch in den Neujahrsansprachen auf, wenn der Bundeskanzler zu Patenschaften aufruft, die nicht nur wohltätig, sondern auch nachhaltig sein sollen, oder wenn Bischof Huber eine „soziale Globalisierung“ fordert. Die angemessenen Begriffe dieser Tage entstammen tatsächlich dem entwicklungspolitischen Diskurs.
Auch wenn die Tourismusindustrie das Gleiche behauptet, ist es noch nicht falsch: Wegen des Seebebens jetzt auf Besuche in den südostasiatischen Ländern – oder etwa auf den hurrikangefährdeten Inseln der Karibik – zu verzichten ist nicht sinnvoll. Allerdings wird sich die Aufmerksamkeit der Touristen wandeln. Wer nach diesem Beben in den betroffenen Gegenden Ferien macht und nichts von den Folgen der Katastrophe wissen will, wird den Vorwurf der Ignoranz zu Recht ernten. Wer aber Fernreisen als Aufbauhilfe „verkaufen“ will, macht sich lächerlich.