: Von Festzelt-Versagern und Frühaufstehern
100 Tage Bedeutsamkeit: Für die im Herbst neugewählten Bürgermeister läuft in diesen Tagen endgültig die politische Schonfrist ab. Eine taz-Bestandsaufnahme von Frühaufstehern, Aufräumern und selbstgefälligen Provinzfürsten
RUHR taz ■ 100 Tage Häuptling sein. 100 Tage Amtskette tragen. Für die bei der Kommunalwahl neugewählten Bürgermeister endet die politische Schonfrist. Egal ob SPD oder CDU – nach drei Monaten im Chefsessel müssen sich die Stadtoberhäupter einer ersten Bestandsaufnahme unterziehen lassen. Ob sie wollen, oder nicht. taz testet Rathaus-Rookies von Bocholt bis WuppertalBocholt: Seit 1222 hat die 70.000-Einwohner-Stadt im westlichen Münsterland die Stadtrechte. Aber so etwas hat es im katholischen Bocholt noch nicht gegeben: einen SPD-Bürgermeister. Knapp setzte sich der Rechtsanwalt Peter Nebelo bei der Kommunalwahl gegen CDU-Amtsinhaber Klaus Ehling durch. Nebelos zündendes Hauptargument im Wahlkampf: Im Gegensatz zu Ehling sei er alteingesessener Bocholter. Nebelo gewann und muss sich jetzt mit den lokalen Problem-Firmenfilialen (Siemens, Karstadt) rumschlagen. Und eine tiefschwarze Stadtverwaltung in den Griff bekommen. Das ist ihm gut gelungen, seinen Wunsch-Kandidaten für den Kämmererposten hat Nebelo durchgesetzt. Nur den traditionellen Fass-Anstich bei der Bocholter Kirmes muss er noch üben. Beim „O‘zapft is“ im Festzelt verursachte Nebelo eine spritzende Sauerei.Castrop-Rauxel: Fast war der SPD-Kandidat und Lehrer Johannes Beisenherz schon als ewiger Zweiter abgestempelt worden, doch dann gewann er gegen CDU-Bürgermeister Nils Kruse. Jurist Kruse scheiterte nach Filzvorwürfen an der Wahlurne. Wie ein kleiner Provinzfürst führt sich allerdings auch Beisenherz auf. Der neue Bürgermeister schaffte sich als erste Amtshandlung einen Dienstwagen an, urlaubte erstmal auf den Kanaren und brachte einen Parteispezi als „Spin Doctor“ in der Stadtverwaltung unter. Angeblich 700.000 Euro kosteten Beisenherz erste Maßnahmen die Castroper Steuerzahler, rechneten Kritiker vor.Wuppertal: Seine erste Pressekonferenz hatte sich Peter Jung anders vorgestellt. Die Stadtwerke pleite, die Schwebebahnfinanzierung nach Mauscheleien unklar – der frisch gewählte CDU-Oberbürgermeister entschied sich für den Holzhammer. Seine Idee: Den Betrieb zerschlagen, die Energiesparte an RWE verhökern. Prompt hatte der Aufräumer und Nachfolger von Hans Kremendahl in der SPD-Skandalstadt ein Bürgerbegehren am Hals und Ärger mit Opposition und Busfahrern.Gelsenkirchen: „Am Anfang bin ich öfter morgens um 4 Uhr aufgewacht“, berichtete SPD-Mann Frank Baranowski unlängst über seinen nervösen Start als Verwaltungschef. Kein Medien-OB wie sein CDU-Vorgänger Olli Wittke wollte Baranowski sein. Mit Erfolg. Bislang arbeitet er im Verborgenen an der Bekämpfung der Rekordarbeitslosigkeit in der Schalke-Stadt. Einziger zählbarer Erfolg für den Ex-Landtagsabgeordneten: Ein erster Platz bei der DAK-Fahrradrallye „Gesund, ich bin dabei“. MARTIN TEIGELER