piwik no script img

Archiv-Artikel

Niemand hat die Absicht, die Mauer abzureißen

Gestern hätte die Hildebrandt-Mauer fallen müssen. Aber nichts geschah. Der Bezirk Mitte stellte nicht einmal eine „Beseitigungsanordnung“, auch der Gundstücksverwalter erinnert sich nicht mehr an abgelaufene Pachtverträge

Am gestrigen Montag hätten eigentlich die Bagger rollen müssen, um die rund 1.000 Kreuze sowie das 180 Meter lange Mauersegment am Checkpoint Charlie abzuräumen. Denn nur bis Jahresende galt der Pachtvertrag für die „Kunstinstallation“ zwischen Mauermuseums-Chefin Alexandra Hildebrandt und dem Grundstücksverwalter BAG/Hamm. Ebenfalls zum 31. Dezember 2004 war die Genehmigung des Bezirks Mitte für die Maueraktion abgelaufen, die das „Mauermahnmal“ begrenzt hatte.

Hätten, müssen, abgelaufen. Egal. Nichts geschah gestern, am ersten Arbeitstag im neuen Jahr, am Checkpoint Charlie. Die Hildebrandt-Mauer steht weiter –und wird erst einmal weiter stehen bleiben. Die Kreuzung Friedrichstraße/Zimmerstraße wird, wie in den Monaten zuvor, auch in Zukunft Busladungen en masse ertragen müssen.

Der Grund ist, dass sich sowohl der Bezirk als auch die zuständige Bankaktiengesellschaft BAG plötzlich nicht mehr an einer Durchsetzung ihrer Verträge und der beendeten Frist interessiert zeigen. Nach Auskunft von Karin Rietz, der Sprecherin des Bezirksbürgermeisters in Mitte, Joachim Zeller (CDU), „wird erst einmal nichts passieren“. Man sei sich zwar bewusst, dass der Termin abgelaufen sei. Die Mauerinstallation befinde sich jedoch auf einem privaten, also nicht öffentlichen Gelände. „Dazu wird es keine Beseitigungsanordnung geben“, so Rietz zur taz.

Rietz musste aber einräumen, dass sich der Bezirk mit dieser politischen Entscheidung und dem Verzicht auf eine erneute Genehmigung nicht nach seinen eigenen rechtlichen Vorgaben verhält. Dass der Bezirk Mitte mit dem Verzicht auf eine Genehmigung einen Rechtsbruch begehen könnte, wollte die Sprecherin nicht erkennen.

Nicht an einem schnellen Abriss interessiert ist jetzt auch die BAG, obwohl sie mehrfach „die derzeitige Grundstücks-Nutzung als kaum zukunftsweisend“ bezeichnet hatte.

Monika Braun-Boden, BAG-Vorstandssprecherin, sagte zur taz, die BAG bemühe sich um einen Käufer oder Investor des Grundstücks. Für Hildebrandt sei dabei keine „längere Frist“ zur Belegung eines Kaufvertrages in Aussicht gestellt worden. Trotzdem werde an eine Beseitigung der Mauersegmente zum jetzigen Zeitpunkt nicht gedacht. Sprich, man verhandelt wohl mit Hildebrandt. Auch auf die Frage, ob die BAG als Grundstücksverwalter eine erneute Genehmigung beim Bezirksamt beantragen werde, antwortete Braun-Boden ausweichend: „Kein Kommentar.“ ROLF LAUTENSCHLÄGER