: Wonne, Weh und Wadenkrampf
Es gibt kaum eine beliebtere Erscheinung: Einige Bemerkungen über den Beischlaf (1)
Unter den wenigen Erscheinungen des irdischen Daseins, die wir uneingeschränkt als erfreulich bezeichnen können, nimmt der Beischlaf zweifelsohne einen besonderen Rang ein. Zugegeben, auch Mozarts späte Klavierkonzerte verfügen über beträchtlichen Reiz; ähnliches gilt mutatis mutandis für Spaziergänge an der Nordsee, Buster-Keaton-Filme und Rote Grütze mit Schlagsahne. Während aber beispielsweise Mozart und Keaton hier und da umstritten, andernorts gänzlich unbekannt sind, erfreut sich der Beischlaf seit erdenklichen Zeiten ungebrochener und weit verbreiteter Beliebtheit. Nahezu jeder Angehörige der menschlichen Gattung, sei er nun Verwaltungsangestellter, Konditor, Mediävist, Stabhochspringer oder selbst Rechtsanwalt, praktiziert ihn gern oder gibt sich, sollte es ihm hierzu an Gelegenheit fehlen, zumindest mehr oder minder lebhaften Gedanken an denselben hin.
Darüber hinaus spielt der Beischlaf eine zentrale Rolle in Kunst und Kultur; so sind die großen mythischen Liebespaare ohne ein starkes Element körperlichen Begehrens schlechterdings nicht vorstellbar, man denke etwa an Romeo und Julia, Werther und Lotte oder Stoiber und Merkel.
Aber auch in nahezu allen anderen Lebensbereichen begegnen wir auf Schritt und Tritt offenen oder verdeckten Hinweisen auf unsere Geschlechtlichkeit, erinnert sei hier nur an die Mode (Minirock, Kleppermantel), den Sport (Schlammringen, Pfänderskat) oder Film und Funk (Schulmädchen-Report, ZDF- Wetterkarte).
Das bisher Gesagte dürfte genügen, um die außerordentliche Bedeutung des Beischlafes hinlänglich zu unterstreichen und eine eingehende Untersuchung dieses Gegenstandes aus fakultätsübergreifender, gewissermaßen allgemein menschlicher Sicht unter besonderer Berücksichtigung lebenspraktischer Aspekte als geboten erscheinen zu lassen.
Wir wollen nun auf weitere Präliminarien akademischer Natur verzichten und uns ohne Umschweife einem ganz alltagsnahen Gesichtspunkt zuwenden, nämlich der Frage, wie oft der Beischlaf ausgeführt werden könne, dürfe, solle oder gar müsse, um für alle Beteiligten zufriedenstellend zu verlaufen. Insbesondere unter der männlichen Bevölkerung treffen wir diesbezüglich immer wieder auf übertriebene Erwartungen und damit einhergehende Befürchtungen, den entsprechenden körperlichen Erfordernissen nicht oder nur unzureichend gewachsen zu sein. Derartige so genannte Minderwertigkeitsgefühle können zu Schizophrenie, Schluckauf und Selbstentleibungsversuchen führen, hie und da auch zur vollständigen Unfähigkeit, komplizierte Fremdwörter wie Existenzialismus oder Fischbesteck auszusprechen, ohne zu kichern.
Werfen wir, um einer Klärung des genannten Problems näher zu kommen, einen vergleichenden Blick ins Tierreich, so stellen wir fest, dass der männliche Feldhase (Lepus europaeus), der in der Waidmannssprache bezeichnenderweise Rammler heißt, seine Häsin bis zu siebenundzwanzigmal täglich begattet, und das sommers wie winters. Dergleichen bleibt unsereinem nun freilich in der Regel verwehrt (gemeint ist hier selbstverständlich nicht die Vereinigung mit weiblichen Langohren, sondern eine Kopulationsfrequenz nach Hasenart). Zwar darf die durchschnittliche Menschenfrau zumeist auch ohne Kuschelfell und rosa Schnuppernäschen durchaus als ebenso anziehend gelten wie eine Häsin, aber der männliche Homo sapiens kann es gleichwohl, hier sollte man sich keine Illusionen machen, in besagter Hinsicht nicht mit Meister Lampe aufnehmen. Wer sich nun allerdings veranlasst sieht, Letzteren künftig mit Neid und Missgunst zu betrachten, sollte sich vor Augen halten, dass der Feldhase, wenn er gerade nicht kopuliert, Löwenzahn mümmelnd durchs Unterholz hoppelt. Man frage sich, ob das erstrebenswert ist.
Im Übrigen kommt es in Liebesdingen bekanntlich nicht auf Quantität, sondern auf Qualität, das heißt auf Harmonie zwischen den Beischlafpartnern an. Hier liegt nun allerdings gleichfalls manches im Argen, denn Mann und Frau, um diese beiden handelt es sich in der Regel, haben oftmals gänzlich verschiedene Neigungen und Bedürfnisse. Männer zelebrieren den Beischlaf abwechslungshalber, mitunter auch zwanghaft, gern unter Zuhilfenahme mannigfacher Utensilien, wie etwa Netzstrümpfen, Handschellen, Olivenöl oder Tirolerhüten. Ein Versicherungsvertreter aus Bad Salzuflen, sein Fall ist in der einschlägigen Fachliteratur ausführlich dokumentiert, konnte den Koitus aufgrund eines frühkindlichen Traumas nur auf einem weißen Lamafell ausführen, wobei der Gefangenenchor aus der Oper „Fidelio“ zu erklingen hatte. Solche Fälle sind aber nicht weiter bedenklich, solange die jeweilige Gefährtin etwas Einfühlungsvermögen besitzt und der Betreffende stets in der Lage ist, bei entsprechender Gelegenheit ein Lamafell sowie einen Laienchor aufzutreiben. Frauen wiederum repetieren während des Geschlechtsaktes nicht selten italienische Vokabeln oder lackieren sich die Fußnägel. Häufen sich derartige Vorkommnisse, endet der betroffene Liebhaber nur allzu leicht im Alkoholismus, wenn nicht gar in einer Männerselbsterfahrungsgruppe.
Die Stellung des Weibes dem Beischlaf gegenüber ist nun freilich seit jeher eine recht eigentümliche, ja vielfach vollständig rätselhafte. Manchmal sind sie ganz verrückt danach, dann wieder wollen sie lieber Christa Wolf lesen oder was; es ist schon ein arges Kreuz mit ihnen. Selbst Sigmund Freud, einer unserer besten Beischlafkenner, hat sich, wie man weiß, an der Damenfrage die Zähne ausgebissen. Nach langen Jahren unermüdlicher Frauenforschung musste er schließlich zugeben, wir zitieren wörtlich: „Ich habe es auch nicht dahin gebracht, einen Fall vollkommen zu durchschauen.“
Wie wir sehen, kann der Beischlaf, dem wir doch eingangs uneingeschränkte Erfreulichkeit bescheinigten, gelegentlich auch Fährnisse und Widrigkeiten mit sich bringen; dennoch nennt ihn der Talmud mit Recht „einen Vorgeschmack der kommenden Welt“. Beenden wir also die Erörterung von Kalamitäten und stimmen endgültig das Hohelied des Beischlafes an. Diesen Vorsatz können wir am überzeugendsten ausführen, indem wir das Feld der grauen Theorie verlassen und das tun, was der ungeduldige Leser längst herbeiwünscht, nämlich anschaulich werden. Die Lektüre einer Abhandlung über den Beischlaf erfolgt ja zumeist nur vorgeblich aus nüchternem Bildungsinteresse; in der Regel liegt ihr, jeder weiß es, das schlichte Bedürfnis nach sinnlicher Aufreizung zugrunde; sei’s drum. Stellen wir also etwaige Bedenken sittlicher Art hintan und machen uns unverzüglich ans pikante Werk: die wirklichkeitsgetreue Abschilderung eines exemplarischen Beischlafes in allen Details. Und zwar im zweiten Teil dieser kleinen Abhandlung …
CHRISTIAN MAINTZ
Fortsetzung morgen