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: Die Odyssee eines frustrierten Odin

Die germanischen Mythen – kaum einer kennt sie noch. Die Kölnerin Anette Schaumlöffel aber begeisterte sich schon als Kind für nordische Götter, für Riesen, Elfen und Zwerge. „Die haben sich im Gegensatz zu ihren griechischen Bekannten nicht immer auf Kosten der Menschen gezankt.“ In Schaumlöffels Debütroman „Die vergessenen Götter“ tun sie es dann doch.

Odin, der germanische Gott des Krieges und der Könige, der Magier und Dichter, ist frustriert über seine Abhängigkeit von den Menschen, von deren Launen und wechselnden Vorlieben für immer andere Religionen. Er beschließt, seinem unendlichen Götterdasein ein Ende zu setzen. Helfen soll ihm dabei die nichtsahnende Menschenfrau Ariane. Doch nicht nur deren Liebe erschwert die Selbstmordplanung des Gottes erheblich. Intrigen über Intrigen tun sich auf, wenn auf rund fünfhundert Seiten menschenähnliche Götter und göttergleiche Menschen aufeinander treffen.

Spielerisch führt die Autorin den Leser in die germanische Sagenwelt ein. Als Grundlage für die Charaktere ihrer Romanprotagonisten dienen die überlieferten Sagengestalten, welche sie mit ihren Überzeugungen und Weltvorstellungen ins 21. Jahrhundert versetzt. Erscheint die Story anfangs noch etwas konstruiert, so lockert sich der Schreibstil spätestens bei den ersten Landschaftsbeschreibungen Nordhessens.

Dies ist eine Hommage an die Heimat – die Autorin wuchs im Schatten des Odenbergs auf. Abgesehen von Ausflügen nach Marburg und zur Wiener Hofburg spielt sich das Geschehen allerdings vorrangig in Köln ab. Für die Götter belanglos, für Anette Schaumlöffel eine prägende Stadt, in der sie sich während ihres Germanistikstudiums intensiv mit nordischer Mythologie und Kurt Tucholsky beschäftigte.

Ein angenehm trockener Humor und eine gewisse Ironie über die kleinen Widrigkeiten des Alltags, denen sich auch Götter auszusetzen haben, ziehen sich durch den gesamten Roman. Die wahnwitzige Reise endet schließlich in der Hölle – und die sprachliche Sensibilität der Autorin findet ihre Höhepunkte in Horrorszenen. Cornelia Steiner

Anette Schaumlöffel: „Die vergessenen Götter“, Goldmann/Blanvalet 2004, ISBN 3442242878, 8,95 Euro