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Archiv-Artikel

nordpol: die apokalypse

Jahresbeginn: Noch immer besinnt sich die taz Nord auf die letzten Dinge und liest die Offenbarung des Johannes. In der geht es nunmehr um Fragen der Rechtssprechung und der Inneren Sicherheit. Ein Engel steigt vom Himmel herab, hält in der Hand „den Schlüssel zum Abgrund und eine schwere Kette“ (Kapitel 20, Vers 1): Ein Kerkerwärter, der zugleich als Fahnder „den Drachen“ aufspürt, überwältigt und „für tausend Jahre“ fesselt (Vers 2f). Heute erscheint dies ein rechtsstaatlich problematisches Vorgehen, denn es tritt keine Instanz auf, die auf die Verhältnismäßigkeit der Strafe achten würde. Dieses Ärgernis wird später allenfalls tendenziell beseitigt: Wenn die tausend Jahre vollendet sind, müsse der Drache, heißt es weiter, „für kurze Zeit freigelassen“, und einer nachträglich eingesetzten Gerichtsbarkeit überstellt werden: „Dann sah ich Throne; und denen, die darauf Platz nahmen, wurde das Gericht übertragen.“ Doch nur eine sehr wohlwollende Lesart könnte in der Freiheitsstrafe des Drachens deshalb eine legitime Untersuchungshaft erkennen. Das Urteil, das zu fällen ist, steht nämlich von vornherein fest: In den See, in den See, mit Gewichten an den Füßen! Die göttliche Vorstellung von Gerechtigkeit entspricht exakt dem, was man heute als Sieger-Justiz bezeichnet. Und Gott gewinnt immer.