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Archiv-Artikel

Das Amtsgericht als Immobilienbüro

Ein Fest für Schnäppchenjäger: Während im Süden die Zahl der Zwangsversteigerungen abnehmen, erreichen Hamburg und Schleswig-Holstein Rekordwerte. Noch bedrohlicher sind die Zahlen nur in Ostdeutschland

Von ksc

Ob es um ein paar Häuser im Hamburger Seebekring mit einem Verkehrswert von 15,4 Millionen Euro oder um einen Wald bei Eutin für 70.000 Euro geht: Wenn der Hammer bei einer Zwangsversteigerung fällt, sind nicht selten tragische Pleiten oder auch Erbstreitigkeiten der Hintergrund.

Um 17,7 Prozent ist die Zahl der Zwangsversteigerungen von Immobilien im vergangenen Jahr in Schleswig-Holstein und Hamburg angestiegen – das ist nicht nur die größte Zunahme im Bundesvergleich, das bedeutet auch, dass hier mit insgesamt 3.295 Objekten im vergangenen Jahr so viele versteigert werden mussten wie nie zuvor.

Dabei stieg der Verkehrswert im hohen Norden im Vergleich zum Vorjahr von 700 auf 870 Millionen Euro an. Das ergibt sich aus dem Versteigerungskalender, den die Verlagsagentur Argetra aus den Versteigerungsterminen deutscher Amtsgerichte erstellt hat.

Danach wurde auch deutschlandweit bei den Zwangsversteigerungs-Terminen im vergangenen Jahr ein Rekord erreicht: Die Zahl stieg insgesamt um 0,7 Prozent auf 92.306. Nutznießer der traurigen Termine bei den Amtsgerichten sind die Schnäppchenjäger: Die meisten der Versteigerungen endeten mit Ergebnissen weit unter dem Verkehrswert, vor allem bei den Gewerbeimmobilien.

Hinter den nackten Zahlen steht eine dramatische Entwicklung: Gescheiterte Existenzen alteingesessener Mittelständler, Arbeitslose, die Kredite für’s Häuschen nicht mehr zahlen können. Noch sei der Norden von den noch bedrohlicheren Zuständen in Ostdeutschland entfernt, sagt Winfried Aufterbeck von der Argetra, die den nach ihren Angaben einzigen deutschlandweiten Vergleich veröffentlicht. Auch in Mecklenburg-Vorpommern gab es ein Plus von 3,5 Prozent.

Allerdings „stehen Schleswig-Holstein und Niedersachsen deutlich hinter der Entwicklung in vielen süddeutschen Bundesländern zurück, wo die Zahlen bereits wieder sinken“. Die Zwangsversteigerungen sind auch ein Indikator für den flauen Immobilienmarkt, betont Aufterbeck: „Die Zahl steigt dort, wo der Markt nicht mehr die üblichen Preise zahlt.“

Auch in Niedersachsen und Bremen schnellte die Zahl im vergangenen Jahr um 6,8 Prozent auf 9.800 nach oben. Im vergangenen Jahr kamen im Nordwesten Immobilien im Wert von sagenhaften 1,826 Milliarden Euro unter den Hammer. Den höchsten Anstieg bei Zwangsversteigerungen in Norddeutschland gab es bei den Städten mit 24 Prozent in Braunschweig. In absoluten Zahlen ist das Plus jedoch nur relativ gering: In Braunschweig gab es im vergangenen Jahr 160 Termine beim Amtsgericht, ein Jahr zuvor waren es 129. ksc