SUBVENTIONSABBAU: DIE ERMÄSSIGTE MEHRWERTSTEUER KANN WEG : Den Ausgleich für Arme nicht vergessen
An Umverteilung fehlt es im deutschen Sozialsystem nicht. Milliarden gehen an Familien, Arme, Arbeitslose und Kranke. Dennoch ist die Frage erlaubt, wie effizient die hiesigen Umverteilungsmechanismen sind. Eine Kluft zwischen arm und reich gibt es überall – doch Deutschland ist einer der wenigen Staaten, der die Ungleichheit durch seine Sozialprogramme noch vergrößert. Hier alimentieren die Ärmeren tendenziell die Reicheren, hat die Industrieländer-Organisation OECD vor einigen Jahren festgestellt.
Nun kommt wieder Bewegung in die Diskussion. Finanzminister Hans Eichel ließ prüfen, ob Grundnahrungsmittel und Kulturgüter weiterhin von einem reduzierten Umsatzsteuersatz von nur sieben Prozent profitieren sollten. Die Subvention der Lebensmittel wurde stets damit begründet, dass ärmere Haushalte überproportional viel für ihre Grundversorgung ausgeben müssten. Doch so groß scheinen die Unterschiede zwischen den Schichten gar nicht zu sein, wenn die Gutverdiener zwölf Prozent ihres Einkommens für die ermäßigt besteuerten Güter aufwenden und die Niedrigverdiener 20 Prozent.
Diese Statistik ist zwar ein wenig verzerrt, weil sie auch Kulturgüter umfasst. Trotzdem leuchtet ein, dass alle Schichten von verbilligten Lebensmitteln profitieren. Gewinner ist zudem die Nahrungsmittelindustrie. Die reduzierte Mehrwertsteuer ist eine Subvention nach dem Gießkannenprinzip, die viel kostet, aber bei den Bedürftigen nur wenig bewirkt. Sie abzuschaffen wäre daher richtig – und ein Beitrag zur Steuertransparenz.
Bleibt die Frage, wie der soziale Ausgleich dann zu organisieren wäre. Klar ist: Die erhöhte Mehrwertsteuer müsste bei Sozialgeld, Sozialhilfe, Arbeitslosengeld und Grundsicherung berücksichtigt werden. Auch die niedrig Entlohnten müssten eine Kompensation erfahren – durch einen Rabatt bei den Einkommenssteuern oder den Sozialbeiträgen. Aber nichts spricht gegen die Steuererhöhung für Besserverdiener. Bildung, Forschung oder Abwasserkanäle – es gibt immensen Investitionsbedarf. ULRIKE HERRMANN