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Archiv-Artikel

Wertpapiere in Orange

Mit Werkbank, Kühlschrank und Klavier – einfallsreiche Jugendliche erobern für ein Schuljahr die Wirtschaftswelt. Kreatives Chaos in den Vorstandsetagen als modernes Führungsprinzip

von Sandra Gärtner

Neun Jugendliche drängeln sich in dem kleinen Besprechungsraum. Vom Schulflur dringt lautes Stimmengewirr herein. Es ist große Pause im Albert-Schweitzer-Gymnasium, während Manoucher Shamsrizi seine Aufgaben als Vorstandsvorsitzender der Firma „Mumo“ erläutert: „Vor allem muss ich den Ablauf unserer wöchentlichen Sitzungen koordinieren.“ Seine Mitstreiter lachen fröhlich – das gelingt wohl nicht immer. Und auf einmal reden alle durcheinander, ergänzen, widersprechen, scherzen und klären mitten im Interview noch das nächste Vorhaben. „Kreatives Chaos“ nennt Pia das. Sie ist das einzige Mädchen in der Gruppe.

Zu Beginn des Schuljahres 04/05 gründeten Manoucher, Pia und die anderen ihre Künstleragentur „Mumo“, eine von 16 Hamburger Schülerfirmen, die im Rahmen des JUNIOR-Projekts entstanden. Diese Initiative vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) ermöglicht Jugendlichen erste Einblicke in die Unternehmensführung. „Mumo“ zum Beispiel verschafft jungen Musikern bezahlte Auftrittsmöglichkeiten. In einer eigens angelegten Datenbank wird das jeweilige künstlerische Repertoire erfasst: vom Geigenduo bis zum Jazzpianisten.

Das Unternehmen

Bis der erste Auftritt Mitte Dezember vermittelt werden konnte, war jedoch viel zu tun. Das IW Köln legt strenge Vorgaben für ein JUNIOR-Unternehmen fest. Ein Vorstandsvorsitzender sowie vier Abteilungsleiter aus den Bereichen Technik, Marketing, Finanzen und Verwaltung müssen gewählt werden. Die Abteilungsleiter sollen dann die anfallenden Aufgaben koordinieren und an die restlichen Mitarbeiter delegieren. Über diesen schwerfälligen Vorstandsapparat setzen sich die Jugendlichen allerdings selbstsicher hinweg – alle wollen lieber möglichst alle Bereiche kennen lernen. So kommt es, dass Verwaltungsleiterin Pia als das „gute Gewissen“ der Mini-Firma die Aufgaben koordiniert und die Sitzungsgespräche vorantreibt, während der Vorsitzende Manoucher lieber erste Ergebnisse präsentiert.

Die Kapitalbeschaffung

Zum Beispiel, dass schon mehr als die Hälfte der 90 orangefarbenen Wertpapiere – 10 Euro das Stück – verkauft wurden, die jede JUNIOR-Firma bei ihrer Gründung erhält. Mit dem so gewonnenen Startkapital machen sich die Pioniere dann ans Werk. Und das bedeutet zuallererst einmal Öffentlichkeitsarbeit.

Mit selbst entworfenen Flyern machen die „Hamburger Stadtlieferanten“ vom Helene-Lange-Gymnasium auf sich aufmerksam. Gezielt bieten die elf Jugendlichen ihren Service in Altenwohnanlagen, Supermärkten und Apotheken an. Für vier Euro pro Einkauf füllen die Zehntklässler den Kühlschrank ihrer Kunden wieder auf. Jeden Nachmittag habe jemand anderes „Bereitschaft“ und ziehe durch die Supermärkte – egal ob Mitarbeiter oder Abteilungsleiter, berichtet Vorsitzende Sonja Hennings. Und schildert Anfangsschwierigkeiten: Immerhin einige Wochen habe es gedauert, bis die Schüler sich in ihren neuen Firmen-Rollen zurechtfanden.

Der Profit

Ganz andere Schwierigkeiten hatte das 12-köpfige Unternehmen „Chipclock“ vom Christianeum. Auf die Besetzung der verschiedenen Positionen hatten sich die jungen Männer fix geeinigt, aber was genau wollten sie eigentlich anbieten? Ein langer Ideenfindungsprozess brachte schließlich die Lösung: recycelte Uhren aus alten Computerfestplatten.

Von da an ging alles recht schnell. Mit Säge und Lötkolben wurde in Papas Kellerwerkstatt gebastelt, und auf dem schulischen Weihnachtsbasar hat „Chipclock“ bereits 40 der in Handarbeit produzierten Einzelstücke für je acht Euro verkauft. Mit einer langen Bestellliste gingen die Uhrenbauer in die Ferien, froh über den finanziellen Gewinn: Bereits jetzt haben sie 240 Euro eingenommen. Voraussichtlich werden die Jungs ihren Aktionären im Sommer satte Renditen auszahlen können.

„Profit ist nicht alles“, sagt Sonja Hennings. Trotzdem gibt sie sich ebenso optimistisch wie ihre Mitstreiter. Sowohl die „Stadtlieferanten“ als auch die Künstleragenten von „Mumo“ stießen bereits bei der Vorstellung ihrer Vorhaben auf begeisterte Reaktionen ihrer Aktionäre. Durch erste zufriedene Kunden wurden sie sogar schon weiterempfohlen. Die Nachfrage steigt. Pia strahlt: „Es macht Spaß zu erleben, dass man mit seinem eigenen Konzept ernst genommen wird und dass es funktioniert.“