Brauner Block leidet

Neonazis marschieren heute in Harburg gegen „Ausländergewalt“. Doch Christian Worch ist nicht mehr unumstrittener Anführer

„Worch war nicht zu bremsen, selbst wenn er durchgesetzt hat, was er wollte.“

Von Andreas Speit

Die Mobilisierung zu der Mahnwache läuft im Internet. Am heutigen Samstag will der „Braune Block“, wie die „Freien Nationalisten“ sich selbst nennen, in Harburg aufmarschieren. Mal wieder verantwortet der Hamburger Neonazichef Christian Worch die Aktion. „Unter Auflagen ist die Veranstaltung genehmigt“, bestätigt Polizeisprecher Andreas Schöpflin. Ab 11 Uhr dürfen die Neonazis im Tivoliweg Wache „für einen niedergestochenen Kameraden“ halten.

In der Nacht des 26. Dezembers war es in dem Stadtteil zu einer Auseinandersetzung zwischen Jugendlichen gekommen. „Gegen 1.56 Uhr haben sechs Skinheads die Glastür eines Wohnhauses im Tivoliweg eingeschlagen“, berichtet Schöpflin. Zwei Jugendliche aus dem Haus seien auf die Straße gegangen, vor einer Kneipe folgte ein Wortgefecht. „Ausländer raus“, sollen die Rechten gegrölt haben, da einer der Jugendlichen „ausländisch“ aussehe. Das Gebrüll ging in ein Gerangel über.

Wohl aus Angst stach der 17-jährige Jugendliche mit einem Messer auf einen der Skinheads ein. Schwer verletzt worden sei der aber nicht, betont Schöpflin. Im Internet werben die Neonazis indes mit einem „lebensgefährlichen Messerangriff auf einen Kameraden durch Ausländer“.

Die Polizei erwartet heute in Harburg über 80 Neonazis. Doch nicht wegen Worch werden diese aus Norddeutschland in die Elbmetropole kommen, sondern wegen des Themas „Ausländergewalt“. Denn Worch ist wegen seiner Kritik an der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) inzwischen nicht mehr unumstrittener Chef.

Schon vor zwei Jahren hatte sich der Anführer des Netzwerks „Freie Kameradschaften“, Thomas Wulff, mit Worch über ihr Verhältnis zur NPD gestritten. Worch befürchtete, die NPD könnte die „nationale Opposition“ dominieren und beklagte deren vermeintlich legalistische Ausrichtung auf das Grundgesetz. Großspurig lehnte er das Angebot des NPD-Bundesvorstands ab, den Hamburger Landesvorsitz zu übernehmen. Stattdessen wetterte er weiter gegen die NPD, welche daraufhin ein „Auftritts- und Redeverbot“ bei Parteiveranstaltungen gegen ihn beschloss.

Auch sein langjähriger Mitstreiter Wulff und die Aktivisten des von ihm bestimmten „Aktionsbüro Norddeutschland“ entfernten sich von Worch. Nach dem Wahlerfolg der NPD in Sachsen wurde es noch einsamer um den fast 50-Jährigen, der nach eigenem Bekunden in seiner fast 30-jährigen Karriere bei den militanten Neonazis nur einen „Freund“ gefunden hat.

Ganz im Sinne der NPD-Parteilinie der „Volksfront von rechts“ schlossen sich Wulff und weitere norddeutsche Freie Nationalisten der Partei an. Die positive Resonanz führte bei Worch zu einem moderaten Kurswechsel, um sich nicht weiter zu isolieren. „Es entsteht manchmal der Eindruck, dass ich die negativen Aspekte der NPD stärker betone als die positiven“, ließ er die Kameraden in einem Neonazi-Webforum wissen. Zeichen genug für die NPD, um den Abgrenzungsbeschuss aufzuheben.

Die NPD-Bundesführung um Udo Voigt scheint zu hoffen, so ihren härtesten Kritiker und dessen Sympathisanten bändigen zu können. In einem offenen Brief erklärte Worch, dass die „wesentlichen Hindernisse“ für eine Zusammenarbeit entfallen seien. „Zusammenarbeit“ sei aber eine „wechselseitige Leistung“ mahnt er und beklagt das „nebulöse Konzept“ der „Volksfront“. Noch deutlicher mäkelt er in den Internetforen, dass „dogmatische Parteilinge beinahe gebetsmühlenhaft die NPD als einzige vernünftige politische Option darstellen und den Einzug in den Reichstag [!] übernächstes Jahr schon für so gut wie gesichert ausgeben“.

Ein ehemaliger Klassenkamerad von Worch kennt dieses Verhalten: „Der war nicht mehr zu bremsen, selbst wenn er durchgesetzt hat, was er wollte.“ Gegen die neonazistische Mahnwache ist eine Gegendemo (10 Uhr, Seevepassage, vor Marktkauf, S-Bahnhof Harburg) geplant.