: „Ich habe noch nie im Leben gewählt“
Sonntag entscheiden Palästinenser über den Präsidenten der Autonomiebehörde. Ihre in Berlin lebenden Landsleute schauen zu, aber mitwählen dürfen sie nicht
„Wissen Sie, ich habe noch nie in meinem Leben gewählt“, sagt Abdullah Hijazi von der palästinensischen Generaldelegation in Berlin. Wie viele der in Berlin lebenden Palästinenser – die Zahl wird auf 25.000 geschätzt – wünscht er sich, an den am Sonntag stattfindenden Wahlen in seiner Heimat teilzunehmen. Dann entscheiden Palästinenser über den Präsidenten der Autonomiebehörde. Den in Berlin Lebenden ist das nicht möglich: Es gibt nur die durch das Osloer Abkommen festgelegten 16 Wahlbezirke und keine Möglichkeit zur Briefwahl.
Abgesehen davon, dass für viele der Flug zu teuer ist, sei die Reise dorthin auch viel zu riskant. „Man muss damit rechnen, nicht wieder ausreisen zu dürfen“, erklärt Hijazi. Palästinenser unter 39 Jahren dürfen laut einem israelischen Militärgesetz den Gaza-Streifen und das Westjordanland nicht wieder verlassen. Andere sind nicht registriert oder bekommen kein Visum. Er habe bei der Delegation viele Nachfragen gehabt, ob und wie man von Berlin aus an der Wahl teilnehmen könne, sagt Hijazi.
„Ich möchte gerne nach Gaza zurückkehren. Vielleicht sind wir auf dem Weg, dass das irgendwann möglich ist.“ Ghassan Abusamra ist Ingenieur für Biomedizinische Technik und Vorsitzender der Palästinensischen Gemeinde Berlin-Brandenburg e. V. Er hofft, „dass die Wahl Grundstein für einen Staat ist“. Die Wahl des Präsidenten der Autonomiebehörde sei ein Test für die Wahl des neuen Parlaments im Frühjahr, das dann eine Regierung bestimmen soll. Durch die starke nationale und internationale Wahlbeobachtung hofft er auf eine demokratische und freie Abstimmung.
Abusamra meint, dass mehr als die Hälfte der hier lebenden Pälästinenser auf mehr Ruhe und Dialog hoffen. Aber er verstehe auch die, die skeptisch sind, „dass die neue Regierung das hinkriegen kann, was Arafat uns versprochen hat“. Am wichtigsten sei allen die Klärung des Rückkehrrechts. Ein erster Schritt wäre die Verbesserung der Visa- und Einreisebedingungen.
Für den 30-jährigen Studenten Mohammed Alsayn hat die Wahl wenig Bedeutung. Er glaubt nicht, „dass die Situation sich groß ändert. Die Lage ist instabil, Leute hier und da haben keine Hoffnung auf Frieden.“ Er und seine Familie im Gaza-Streifen haben sich nur gewünscht, „dass 2005 nicht schlimmer wird als 2004“. ULRIKE LINZER