: So koscher wie Schweinekotelett
Ein Film, der das jüdische Thema mit leichter Hand serviert und tatsächliche Probleme deutscher Juden in Deutschland außen vor bleiben lässt: Dani Levys zuversichtlich wehmütige Komödie „Alles auf Zucker!“
Mit den Juden ist es wie mit allen anderen. Es gibt solche und solche. Da ist erst mal Jaeckie Zucker (Henry Hübchen). Ein Spieler, ein Zocker, der sich durchs Leben schwindelt und mit seinem Berliner Ostalgie-Club eine Menge Schulden angehäuft hat. Und da ist Samuel Zuckermann, sein Bruder aus Frankfurt. Der gewiefte Unternehmer lebt streng orthodox, was ihn nicht davor bewahrt hat, ebenfalls in die Schuldenfalle zu tappen. Stichwort: Neuer Markt. Nun ist ihre liebe Mamme gestorben, und mit dem Begräbnis in Berlin winkt ein hübsches Erbe. Doch so einfach ist das nicht. Denn über dem Grab der Mutter, so steht es im Testament, sollen sie sich versöhnen. Dabei sind sie einander spinnefeind. Seit 40 Jahren haben sie sich nicht gesehen, die Mauer kam ihnen gerade recht, und nun haben sie nur noch sieben Tage Zeit. So lange trauert man nach jüdischem Gesetz, so lange sitzt man Schiva.
Jaeckie aber, der auch einmal Zuckermann hieß, will nicht sitzen. Er will spielen, und zwar Billard, um mit einem Preisgeld von 100.000 Euro seinen Schulden Lebewohl zu sagen. Der jüdischen Chose traut er nicht über den Weg. Marlene (Hannelore Elsner), seine nichtjüdische Frau, denkt da anders. In aller Hektik wird die Wohnung auf jüdisch getrimmt, den siebenarmigen Leuchter hier, ein paar Thorarollen dort, und den Kühlschrank warum auch immer nach milchig und fleischig sortiert. Wenn das mit dem Erbe nicht klappt, sagt Marlene, kann sich Jaeckie die Ehe mit ihr abschminken. Samuels Frau meint dann trotzdem, die Bleibe der Zuckers sei so koscher wie ein Schweinekotelett.
Das ist sie also, die erste deutsch-jüdische Komödie. Als Fernsehfilm gedreht, fürs Kino auf 35 mm aufgeblasen, weil erste Zuschauerreaktionen so überaus positiv ausfielen. Kein Wunder. Das jüdische Thema wird mit leichter Hand serviert, tatsächliche Probleme deutscher Juden in Deutschland bleiben weitgehend außen vor. Samuels Mischpoke kommt mit Kaftan und Gebetsriemen leicht überzeichnet daher; es gibt Zores über die Frage, ob man am Sabbat telefonieren darf; am Ende entscheidet der Rabbi. Das war’s und ist in einem Land, in dem Hanuka und Hekuba noch immer dasselbe bedeuten, nämlich gar nichts, doch ziemlich viel.
Die wahre Show aber bieten Henry Hübchen, bekanntlich der schönste Junge vom Prenzlauer Berg, und Hannelore Elsner, die sich durch diesen Film berlinert, als hätte sie nie etwas anderes getan. Hin und her geht es zwischen Synagoge und Poolturnier, mittenmang durch alle Klischees, sei es nun Berliner Schlitzohrigkeit oder jüdisch-orthodoxe Frömmelei. Als Fundament dient eine solide Ost-West-Geschichte. Von Holocaust und Antisemitismus praktisch keine Rede.
Diese Missachtung politdiskursiver Standards ist natürlich Konzept. Leicht sieht es aus, doch um hier das richtige Augenmaß zu wahren, braucht es Dani Levy. Der gelernte Clown ist der Stille unter den deutschen Regisseuren, und was immer er in diesem Film zu Grabe trägt: die Erinnerung an böse Zeiten, ein verloren gegangenes Judentum oder eben doch nur die alte Mamme Zuckermann – er tut es mit einer Mischung aus Zuversicht und Wehmut, die über die gröbsten Zweifel hinweghilft.
Im Gegenteil hätte man seinem klugen Drehbuch manchmal etwas mehr Schmackes gewünscht, vor allem den Mut zur wirklichen deutsch-jüdischen Konfrontation. Kommt es doch einmal dazu, läuft Levy zu seiner besten Form auf. „Musst nur sagen, wenn du was gegen Juden hast“, raunzt Jaeckie den Turnierleiter an, nachdem er völlig zu Recht disqualifiziert wurde. Die Szene sagt alles über Jaeckie und viel über die haarsträubende Situation, in der man als Jude in Deutschland lebt. Es ist der bekannte hysterische Reflex, diesmal aber dargeboten mit unverfrorenem Kalkül. So schnell wird man also zum Juden. Dabei wollte er mit dem ganzen „Club“ eigentlich nie etwas zu tun haben.
PHILIPP BÜHLER
„Alles auf Zucker!“ Regie: Dani Levy. Mit Henry Hübchen, Hannelore Elsner u. a., Deutschland 2004, 90 Min.