: Typisch für Beamte?
betr.: „Ein Lebensbund wird brüchig“, taz vom 6. 1. 05
Ich gratuliere Barbara Bollwahn: Sie hat einen Referatsleiter in einem Bundesministerium gefunden, der über zu wenig Arbeit klagt; in Wahrheit klagt er wahrscheinlich eher über zu wenig Karriere! Sie hat außerdem einen ehemaligen Beamten gefunden, der den Beamtenstatus aufgegeben hat, angeblich der Freiheit wegen; in Wahrheit wohl eher wegen des doppelten Einkommens. Sie hat außerdem den Leiter eines völlig untypischen Landesamtes gefunden, der eher in der Forschung als im Dienstleistungsbereich tätig ist. Und sie hat ein freigestelltes Personalratsmitglied gefunden, deren ganze Familie anscheinend im Beamtenstatus lebt. Wahrlich eine beeindruckende Auswahl.
Sicherlich muss eine solche Reportage keinen repräsentativen Überblick bieten; aber man könnte doch erwarten, dass vielleicht wenigstens ein einziger Beamter/eine einzige Beamtin zu Wort kommt, die das Gros der „Staatsdiener“ verkörpert: z. B. ein Ministerialbeamter (muss nicht einmal ein Referatsleiter sein), der die üblichen zehn bis zwölf Stunden täglich arbeitet, ohne großen Freizeitausgleich, ohne realistische Karriereperspektive und bei sinkendem Realeinkommen, oder z. B. ein Beamter/eine Beamtin des mittleren Dienstes, der/die mit einem Einkommen eine vierköpfige Familie nicht mehr ernähren kann und dessen Partner z. B. keinen oder einen unsicheren Job hat, oder einen Anwärter, der mit reduzierten Bezügen und unsicherer Perspektive auf Übernahme leben muss. Dies wären typischere Lebenssituationen für Beamte als die in der Reportage beschriebenen. So ist die Reportage eine vertane Gelegenheit zu einer lebensnahen Bestandsaufnahme des öffentlichen Dienstes. Schade! WOLFGANG MÖSSINGER,
Auswärtiges Amt, Büro Personalrat, Berlin
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