: Der König langweilt sich
Die Untertanen sind schwer beschäftigt. Kobe Bryant rettet sich und seine Los Angeles Lakers mit Mühe und Not gegen renitente Houston Rockets in einem alles entscheidenden siebten Spiel ins Halbfinale der NBA. Und Dwight Howard und seine Orlando Magic befördern auf ähnlich dramatische Weise den Titelverteidiger Boston Celtics aus dem Wettbewerb. Aber was macht eigentlich der König?
Der König langweilt sich. King James, auch bekannt unter seinem bürgerlichen Namen LeBron James, sitzt nun schon seit neun Tagen im heimischen Cleveland und wartet darauf, wieder Basketball spielen zu dürfen. Im Internet kursiert ein Filmchen, wie sich der frisch gekürte wertvollste Spieler der NBA die Zeit vertreibt und locker eigentlich unmögliche Würfe versenkt. Der Eindruck, der sich aufdrängt: James und seine Cavaliers sind bislang so problemlos durch die Playoffs spaziert, dass die Konzentration nachzulassen droht.
Heute Nacht aber beginnt die Halbfinalserie gegen Orlando und wohl der erste ernstzunehmende Test für die Cavaliers. Die gewannen nicht nur die meisten Spiele in der regulären Saison, sondern fertigten in den ersten beiden Playoff-Runden die Detroit Pistons und die Atlanta Hawks mit jeweils 4:0 Siegen ab. Und das bei einer durchschnittlichen Punktedifferenz von 16,8.
Nun aber wartet ein anderer Gegner. Von den drei Saisonspielen gegen Orlando konnte Cleveland nur ein einziges gewinnen. Beim letzten Aufeinandertreffen Anfang April setzte es gar eine Niederlage mit 29 Punkten. Die Mannschaft um den bulligen Center Dwight Howard scheint den Cavaliers nicht zu liegen. Das weiß auch Danny Ferry, der Manager der Cavaliers: „Die Schwierigkeiten kommen jetzt erst.“
Ferry ist neben James der Hauptverantwortliche für den Erfolg der Cavs. Der ehemalige NBA-Profi hat mit Verhandlungsgeschick um seinen Superstar herum eine Mannschaft aufgebaut, in der zwar die bekannten Namen fehlen, die aber wohl gerade deshalb hervorragend funktioniert. Zwar gibt es neben James kaum jemanden, der regelmäßig viele Punkte erzielt, aber nahezu alle sind selbstlose Arbeiter, die Cleveland mit großem Einsatz zum kaum überwindbaren Abwehrbollwerk machen. Selbst bislang als Egomanen bekannte Profis wie der im vergangenen Sommer verpflichtete Wally Szczerbiak ordnen sich dem strengen Teamkonzept unter.
Nun aber könnte vor allem Dwight Howard ein Problem für die Cavaliers werden. Den Mann mit den breitesten Schultern der Liga hält nicht nur James für „den alles überragenden Mann unter den Körben“. Die Cavaliers bieten als Gegenspieler Zydrunas Ilgauskas und Ben Wallace auf. Der Litauer Ilgauskas ist ein solider Spieler mit einem guten Wurf, aber leider auch lädierten Knien und dem 2,11 Meter großen Howard körperlich hoffnungslos unterlegen. Der bereits vier Mal zum besten Verteidiger der Liga gewählte Wallace dagegen hat Defizite in der Offensive, aber ist nur fünf Zentimeter kleiner und zehn Kilo leichter als Howard.
Aber auch wenn es den Cavaliers gelingt, Howard einigermaßen in Zaum zu halten, wird es wohl darauf hinauslaufen, dass James noch mehr Verantwortung übernehmen muss. Schon jetzt führt er die internen Statistiken seines Team nicht nur bei den Punkten, sondern auch bei Assists, Rebounds und Steals an. So ist zumindest eins wohl sicher: Langweilen wird sich der König gegen Orlando nicht.
THOMAS WINKLER