Gebrochener Zeh auf Eis gelegt

Der Stürmerstar der Kölner Haie, Dave Mc Llwain, spielt trotz seines gebrochenen Zehs weiter. Dank des Eishockey-Oldies bleiben die Kölner weiter auf Kurs Tabellenspitze. „Gruseliger“ Sieg gegen die Kassel Huskies

KÖLN taz ■ Besonderen Rededrang verspürte niemand. Hans Zach, Trainer Haie, ordnete das 5:3 seiner Mannschaft am 35. Spieltag der Deutschen Eishockey-Liga gegen die Kassel Huskies der „Kategorie Arbeitssieg“ zu. Sein Kapitän Tino Boos meinte nur: „Es war sicher nicht unser bestes Spiel, aber Hauptsache, wir haben gewonnen.“ Kurzum: Der Tabellen-Zweite bezwang den Vorletzten, das zählte für den KEC. Alle wussten, dass eine schlechte Eishockey-Partie stattgefunden hatte. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ sprach gar von „gruseliger Unterhaltung“ – und lag damit ziemlich richtig.

Die gut 10.000 Besucher in der Kölnarena sahen ein Spiel, das nur deshalb spannend wurde, weil die Kölner nach 4:1-Führung im zweiten Drittel erschlafften, Fehler begingen und den Underdog aus Nordhessen bis auf 4:3 herankommen ließ. Die treuen Haie-Fans waren in ihrer Mehrheit trotzdem zufrieden. Man weiß ja, dass in der in der DEL-Vorrunde, in der die Klubs nur um die acht Plätze für die Meisterschafts-relevanten Playoffs kämpfen, nicht jedes Spiel ein Brüller sein kann. Und so gab es viel Applaus für die drei Punkte im 650. Kölner DEL-Spiel.

Doch auch der graue DEL-Alltag bietet Glanzlichter, denn schon während der 52 Spiele langen Playoff-Preliminarien werden kleine Heldenepisoden geschrieben; im Eishockey so beliebte Geschichten von harten Männern, die allen Körperqualen zum Trotz, nimmermüde für den Erfolg ihrer Mannschaft kämpfen. Einer dieser Heroen ist der Kölner Mittelstürmer Dave McLlwain. 38 Jahre alt wird der Kanadier im Juni. 20 Jahre Profi-Eishockey hat der Mann hinter sich, der in seiner Jugend mehr als 500 Spiele in der National Hockey League bestritt. Einen Tag vor Silvester erlitt McLlwain nun im Spiel bei den Eisbären Berlin einen Bruch im Endgelenk des großen Zehs. Das tut weh. Er werde wochenlang pausieren müssen, hieß es. Trainer Zach bejammerte schon den Ausfall seines Führungsspielers.

Es kam anders. McLlwain, der sich in Straßenschuhen nur humpelnd fortbewegen kann, bemerkte, dass er seinen lädierten, geschwollenen Fuß in einen Schlittschuh gezwängt bekam. Und so ging er nur drei Tage nach erlittener Fraktur wieder im Heimspiel gegen Krefeld für die Haie aufs Eis – sehr zur Freude Kölner Zuschauer, die den Altmeister mit stürmischen Ovationen begrüßten. McLlwain bedankte sich beim Publikum mit drei Vorlagen beim 3:1 gegen die Pinguine. Es sei ganz gut gegangen, berichtete der Stürmer, und bemerkte ganz lässig: „Ich bin an der verletzten Stelle nur fünf oder sechsmal getroffen worden.“ Dass nun alle den alten Mann in den Himmel lobten, wollte Zach gar nicht goutieren. Starrummel duldet der Tölzer Trainer eigentlich nur dann, wenn er selbst das Objekt der Verehrung ist. Und so grummelte Zach im „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Klar war McLlwain wichtig, jeder Mann ist für uns wichtig.“

Manche Spieler sind halt ein wenig wichtiger: Beim 5:3 gegen Kassel wurden McLlwain zwei Assists gut geschrieben. Vor dem gestrigen Auswärtsspiel bei der Düsseldorfer EG (bei Redaktionsschluss noch nicht beendet) führte der Eis-Opa die Haie-Rangliste mit 35 Punkten an – vor dem 13 Jahre jüngeren Eduard Lewandowski (34 Punkte). Die Frage der Fragen musste der Center, der im Jahr 2000 aus der Schweiz zum KEC kam, in den vergangenen Monaten immer wieder beantworten. Wie ist es möglich, trotz fortgeschrittenen Alters wie ein junger Wilder zu spielen? Sind womöglich Zauberkräfte im Spiel? Nein“, sagt McLlwain dann immer, „Ich fühle mich nicht alt.“ Eishockey mache ihm noch jede Menge Spaß. „Ich will Spiele gewinnen. Außerdem weiß ich, mit meinen Kräften zu haushalten.“ Und Schmerzen scheint er nicht zu kennen. Die Haie dankten McLlwain seinen Einsatz mit einem neuen Vertrag, der bis April 2006 läuft.

CHRISTIANE MITATSELIS