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Archiv-Artikel

Get together

Zum tadellos geslappten Kontrabass wippen und einen auf den King heben: Am Wochenende feierte Berlin den 70. Geburtstag von Elvis Presley. Wer weiß, was er darüber Richard Nixon erzählt hätte

VON JENNI ZYLKA

Es gibt diese Anekdote, in der die Beatles Elvis treffen, am Ende einer Beatles-Tournee 1965, und sie verbringen ein bisschen Zeit zusammen in seinem Haus in Los Angeles, machen Musik, trinken Wasser, gucken Fernsehen ohne Ton, schauen sich Elvis’ viele Billardtische an, schauen sich Priscilla an – was Megastars so machen, wenn sie unter sich sind. Ein paar Jahre später erfahren die Beatles, dass Elvis danach zu Richard Nixon sagte: „Also, Sir, diese Beatles, die sind sehr unamerikanisch und nehmen Drogen.“ Und das ist ein starkes Stück: Wer war es denn schließlich, der später voll gepumpt zusammengebrochen ist?

Aber keiner ist mehr sauer auf Elvis. Im Gegenteil. Je länger der King tot ist, desto lieber wird er den meisten. Letzten Samstag wäre er 70 geworden, und man konnte sich darum am Wochenende vor Elvis-Tribute-Partys kaum retten. Schon am Freitag feierten Fans rein, die offiziell Rockabillyzuständigen der Rock-a-tiki-Lounge im Delicious Doughnuts boten ein Elvis-Tribute-DJ-Set, und so konnte man an der Theke kleben, zum tadellos geslappten Kontrabass wippen und einen oder zwei auf Elvis heben.

Das Schönste an dem kleinen get together war aber, dass sich auch echte, alte Elvis-Fans unter die Rockabillys gemischt hatten, diese ExpertInnen aus Spandau, Mariendorf und Wedding, die jetzt zwar älter sind als der King, als er starb, aber immer noch so jung, dass sie einen Jive nach dem anderen aufs Parkett legen können – zugegeben, eher geschwoft als spritzig, aber sehr sympathisch. Und das lässt einen sogar die Cowboyhüte verzeihen, die vereinzelt gesichtet wurden – nichts gegen Cowboyhüte an sich, doch diese ganz spezielle amerikaaffine Mode aus Berlin trägt bekanntlich oft auch gruselige Züge, die bis hin zu einer obskuren Truckerromantik führen können.

Radio Eins spielte am nächsten Tag jede Stunde einen Elvis-Hit, woran man erkennen kann, wie groß der Mann war – Elvis-Songs gibt es gar nicht mehr, nur noch Elvis-Hits. So eingestimmt, brachte man den Tag mit „Mystery Train“-Gucken und Erdnussbuttersandwiches-Essen rum, bis abends der Rrrriot am Kottbusser Tor stattfand: eine Gala mit so vielen Acts, dass der Festsaal an der Skalitzer Straße allein schon von den Mitwirkenden und ihren engsten Freunden pickepackevoll gewesen wäre. Die Kassenschlange ging gegen Mitternacht fast bis zu Kaiser’s, und drinnen brannte die Luft, denn es waren sozusagen tout Kreuzberg und auch noch demi Prenzl’Berg und demi Mitte da.

Auf zwei Bühnen auf zwei Ebenen wurde tributiert, was spannend war, weil die Empore dieses merkwürdigen Veranstaltungsortes, die ein Mal um den ganzen Saal führt, nur von klitzekleinen, dünnen Stängchen gehalten wird und man an diese traurige Hochzeit in Israel vor ein paar Jahren denken musste, bei der die eine Hälfte der Gäste beim Tanzen durch den Boden gebrochen war. Trotz solcher Zwangsvorstellungen war es lustig. Nicht gerade respektvoll gegen den King, teilweise auch nicht gut dargeboten, oft nicht mal gut ausgedacht – aber lustig. Schneider TM spielten eine Velvet-Underground-Version von Elvis-Hits, die eine Cobra-Killer-Hälfte sang „Love Me Tender“ zu Industriekrach, Elvis-Maria, die so heißt, weil sie früher eine Tolle trug und als größter lebender aus Wien eingewanderter Elvis-Fan Berlins galt, begleitete den Boy from Brazil und trug dazu schniekes Satinweiß, Sedlmeir hatte schicke, funkensprühende Sporen um. Auf der Empore wurde mitgegrölt, unten schoben sich Lenny Kravitz (oder jemand, der so aussehen wollte) und einige Elvis-Imitatoren durch die Menge. Wer weiß, was Elvis Nixon darüber erzählt hätte.