: Kampf gegen die Cosa Nostra
Sein Bruder wurde das Mordopfer der eigenen Familie. – Das sind die wahren Geschichten aus Sizilien. Am Wochenende erzählte ein Pizzabäcker, heute selbst Mafiaopfer, von seinem Kampf gegen die Cosa Nostra
Es geht um eine Pizzeria. Um Gerechtigkeit. Und eine Familiengeschichte. Und die Bitte um Hilfe.
Im Mittelpunkt stehen zwei Brüder aus dem sizilianischen Cinisi, südlich von Palermo. Giovanni, der jüngere, war am Wochenende auf Einladung des deutsch-italienischen Kulturvereins Luna-Rossa zu Gast in einer Prenzlberger Pizzeria. Knallgelbe Wände mit Graffiti, Poster von Che Guevara und Punkbands. Mittendrin steht ein Mittfünfziger in schwarzen Jeans, schwarzem Pullover und redet. Erzählt bei Mozzarella, gedünstetem Gemüse und sizilianischem Wein über seinen Bruder Peppino.
Der war Aktivist und Journalist, bis er 1978 im Auftrag seiner eigenen Familie ermordet wurde. Die wollte ihn loswerden, weil er sich gegen die Cosa Nostra engagierte. „In Sizilien herrscht noch immer ein Gesetz des Schweigens gegenüber der Mafia“, erklärt Giovanni Impastato, „auch heute noch gibt es starke Verbindungen zwischen Mafia und staatlichen Institutionen.“ Das bekam Impastato letztes Jahr zu spüren, als er in einer italienischen Fernsehsendung einen in den Mord verwickelten Mafioso als Dummkopf beschimpfte. Prompt wurde er wegen Verleumdung verklagt, seine Pizzeria steht heute vor der Pfändung. Mit Solidaritätsveranstaltungen wie der in Berlin soll nun auch in Deutschland Geld für Giovannis eigene Familie gesammelt werden – und für ein Dokumentationszentrum zur Erinnerung an Peppino.
„Was heute in Italien geschieht, ist die Legalisierung der Illegalität, insbesondere mit einem Ministerpräsidenten Berlusconi“, sagt Giovanni Impastato vor den rund 120 deutschen und italienischen Zuhörenden. Der Staat hat sich nach Ansicht des Sizilianers mit der Mafia arrangiert. Die Attacken der Regierung auf die Justiz, die Konzentration des Mediensystems in Regierungshand schüfen einen Boden, auf dem vor allem das organisierte Verbrechen gedeihe, sagt Impastato. Wer heute der Mafia den Puls fühlen wolle, müsse den Politikern auf die Finger schauen, vor allem Berlusconi. Und den Behörden in Sizilien. Denn dort sei die Mafia auch heute noch aktiv.
Von Anwaltsprüfungen bis zur Zulassung an Universitäten habe die Cosa Nostra alles in der Hand, sagt Impastato. Selbst der Bau des Konferenzgebäudes in Palermo, in dem die Vereinten Nationen vor vier Jahren über die Bekämpfung der Mafia berieten, sei von ebendieser kontrolliert worden.
„Um diese Verbindungen zwischen Staat und Mafia aufzubrechen, ist ein Bewusstseinswandel in der italienischen Bevölkerung nötig“, sagt der Sizilianer. Dabei setzt er vor allem auf die nachwachsende Generation in Sizilien, spricht oft in Schulen und Universitäten. Denn einige Ältere hätten sich mit den Verhältnissen vor Ort abgefunden. „Es gibt Stimmen, die sagen, man müsse die Mafia als Teil der italienischen Gesellschaft annehmen.“ Giovanni akzeptiert das nicht. Er will den Kampf seines Bruders weiterverfolgen. „Es geht aber nicht darum, Heldenfiguren zu stilisieren“, sagt er. Für Giovanni geht es auch um den Kampf gegen ein politisches System, das die Cosa Nostra akzeptiert hat.
In Italien, in Sizilien und in Cinisi. In dem Ort, in dem Giovanni lebt und arbeitet. Nur hundert Schritte entfernt vom Haus des Mörders seines Bruders.