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Archiv-Artikel

Psychisch und physisch gefoltert

betr.: „Afrikaner nach Brechmittel-Einsatz im Koma“, taz vom 4. 1. 05

Liebe taz, vor einigen Wochen warst du im Rahmen der Berichterstattung über den Fall Daschner mit zum Teil seitenlangen Abhandlungen über die drohende Aufweichung des Folterverbotes durch ein mildes Urteil gefüllt. Mindestes einmal war zu lesen, dass es besser sei, den Tod eines Kindes in Kauf zu nehmen, als die Menschenwürde des – zweifelsfrei erkannten – Entführers auch nur durch Drohungen mit Schmerzzufügung zu verletzen.

Warum ist von diesen Strategen im Fall des in Bremen zumindest fahrlässig so gut wie getöteten als Dealer verdächtigten Afrikaners nichts zu hören? Sicher ist nur, dass er vor seiner Verhaftung schnell etwas geschluckt hat, vermutlich Drogen, ebenso sicher, dass es kaum große Mengen gewesen sein können. Daraufhin wird der Verdächtigte in seiner Menschenwürde verletzt, tatsächlich psychisch und physisch gefoltert und fahrlässig schwer verletzt oder gar getötet, weil ein Nachwuchs-Innensenator den großen Saubermann markieren will.

Hier lag kein unmittelbarer Zwang vor: Kein anderer Mensch wäre in den nächsten zwei Tagen verdurstet, bis die verschluckten Beweismittel auf natürlichem Wege wieder ausgeschieden worden wären. Wenn die Zeit knapp gewesen wäre, hätte ein weitaus weniger gesundheitsgefährdendes Abführmittel die Aufklärung beschleunigt. Die Erklärungs- oder Vertuschungsversuche des für diese unverhältnismäßige Behandlung verantwortlichen obersten Dienstherrn Röwekamp offenbaren ein solches Maß an Menschenverachtung und verdecktem Rassismus, das ihn für jedes öffentliche Amt disqualifiziert und ebenso wie Daschner vor Gericht bringen muss. Den unmittelbar Ausführenden dieser Folteraktion ist außerdem grobe Fahrlässigkeit anzulasten, da sie offensichtlich außer Acht gelassen haben, dass zumindest ein Teil der verschluckten Drogen nicht gut genug verpackt waren und der Beschuldigte höchstwahrscheinlich bereits unter Drogeneinfluss stand und in Rückenlage immer Erstickungsgefahr besteht. Bin sehr gespannt, ob und wann sich amnesty international dazu zu Wort meldet.

WERNER BEHRENDT, Holste

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