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Archiv-Artikel

Sudan hat einen Krieg weniger

Der Friedensvertrag: Der Süden bekommt Autonomie und wird an der Macht in der Hauptstadt beteiligt. Die Scharia gilt nur noch für Muslime im Norden

AUS NAIROBI ILONA EVELEENS

Es ist ein Festakt mit Trauerrahmen. Ungewöhnlich viele Aasgeier kreisen über dem Nationalstadion von Kenia in der Hauptstadt Nairobi, während mit der Unterzeichnung eines Friedensabkommens für Südsudan der älteste Bürgerkrieg Afrikas feierlich beendet wird. „Wir sind sehr froh, dass wir Frieden haben“, sagt eine Flüchtlingsfrau aus Südsudan. „Wir haben viel geopfert, ich habe meinen Mann im Krieg verloren. Heute ist ein Festtag.“ „Aber“, und sie zeigt auf die Geier am Himmel, „das ist der Schatten, der über dem Frieden hängt. In Darfur geht der Krieg weiter.“

Über 10.000 Sudanesen feiern im Stadion den Frieden für den Süden, und jeder betont sofort den andauernden Krieg im Westen. Die Zeremonie verläuft einigermaßen improvisiert. Es gibt zu wenig Stühle für die vielen Prominenten, darunter US-Außenminister Colin Powell. Und weil der gleich wieder wegmuss, werden die Unterschriften vor den feierlichen Reden geleistet – normalerweise ist es anders herum. Südsudans Rebellenchef John Garang, Sudans Vizepräsident Ali Osman Taha, Kenias Präsident Mwai Kibaki als Gastgeber und Ugandas Präsident Yoweri Museveni als Vorsitzender der zuständigen Regionalorganisation setzen ihre Namen darunter, bevor Sudans Präsident Oomar el-Beshir unterschreibt und die Staatschefs von Algerien und Ruanda zuschauen.

Zweieinhalb Jahre hatten die Verhandlungen gedauert, acht Teilabkommen wurden bereits vor diesem endgültigen Vertrag unterschrieben. Kern der Friedensvereinbarung ist eine sechsjährige Autonomieperiode für den Südsudan unter Garangs Führung. Vor alldem beginnt jetzt erst einmal eine „Vor-Übergangsperiode“ von sechs Monaten, während der eine neue Übergangsverfassung für Sudan geschrieben werden soll und John Garang als Chef der südsudanesischen Rebellenbewegung SPLA, der Sudanesischen Volksbefreiungsarmee, in die Hauptstadt Khartum zieht. Dort soll er von seinem bisherigen Verhandlungspartner Taha das Amt des Vizepräsidenten übernehmen.

In einer Volksabstimmung dürfen die Südsudanesen nach sechs Jahren Autonomie eine Fortsetzung der Autonomie oder die Unabhängigkeit wählen. Die islamischen Scharia-Gesetze gelten fortan nur noch für Muslime im Norden des Landes – Religion war ein wichtiger Grund für den Krieg zwischen dem islamischen und arabisierten Norden und dem überwiegend christlichen und schwarzafrikanischen Süden des Sudan.

In den nächsten zweieinhalb Jahren müssen 91.000 Soldaten der Regierungsarmee aus Südsudan abziehen. Die SPLA hat ihrerseits acht Monate Zeit, um ihre Rebellen aus drei umstrittenen Grenzgebieten zurückzuziehen – den Nuba-Bergen, der Provinz Southern Blue Nile und dem Distrikt Abyei. In diesen drei Gebieten, die geografisch zum Norden gehören, aber während des Krieges unter Rebellenkontrolle waren, wird danach eine neue gemeinsame Armee stationiert, und für sie gelten eigene Autonomieregelungen. Die gemeinsame Armee gibt es auch im Süden und in Khartum. Getrennt davon behalten Nord und Süd eigene Streitkräfte. Eine UN-Truppe von 7.000 Mann soll im Südsudan den Frieden beobachten.

Wirtschaft spielte in Südsudans Krieg eine wichtige Rolle. Nun soll der Ertrag von Südsudans Ölquellen je zur Hälfte an Nord und Süd gehen. Der Süden bekommt ein eigenes Banksystem, getrennt vom islamischen Finanzwesen im Norden. Detailliert geregelt ist auch die Verteilung der Macht in der Zentralregierung, im Parlament und den Kommunalverwaltungen.

Auf dem Papier erscheint der Friedensvertrag hoffnungsvoll, aber die Realität ist voller Tücken. Wie kann Frieden in Sudan herrschen, wenn in Darfur weiter der Krieg tobt? Optimisten glauben, dass der Friedensvertrag zwischen Nord und Süd als Modell für ein Darfur-Abkommen dienen könnte. Doch die Konflikte in Süd- und Westsudan sind sehr unterschiedlich. Fraglich ist auch, ob Regierung und SPLA bereit wären, ihre neu ausgehandelten Machtpositionen mit ihren Brüdern und Schwestern aus Darfur zu teilen.

Ein weiteres Problem: Im Süden ist der gemeinsame Feind, die Regierung im Norden, weggefallen. Jetzt können alte Konflikte zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen wieder aufbrechen. Den feiernden Politikern im Stadion von Nairobi ist das bewusst. „Dies ist das Ende des Krieges“, sagt Rebellenführer Garang. „Aber es ist erst der Anfang des Friedens.“