„Das sorglose Dahinschlemmen ist vorbei“

Karl-Otto Schallaböck vom Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt und Energie über die deutschen Gewohnheitsfahrer, warum E-Mail schreiben den weltweiten Auto-Verkehr anregt und die Benzinpreise seit Jahrzehnten viel zu niedrig sind

taz: Sollten nach den Brummi- auch Autofahrer Maut zahlen?Karl-Otto Schallaböck: Davon halte ich nicht viel. Fatal wäre sie sogar, wenn dadurch andere Steuern sinken würden. Für die Maut spricht nur, dass dann auch ausländische Autobahnnutzer zahlen müssen, aber auch das wird überschätzt: Außerhalb der Urlaubssaison sind doch zum Beispiel auf der Strecke Hamburg-Ruhrgebiet nur ein bis zwei Prozent ausländischer PKW unterwegs. Was der Umwelt schadet, muss aber trotzdem teurer werden. Deswegen muss der Treibstoffpreis rauf. Allein Diesel muss ein Viertel teurer werden, schließlich stößt ein Dieselfahrzeug 14 Prozent mehr CO2 aus und ist an der Tankstelle trotzdem ein Achtel günstiger.

AutofahrerInnen klagen schon jetzt über die Spritpreise.

Das ist Unsinn. Der reale Spritpreis ist so niedrig wie vor zwanzig Jahren, das ist ein völlig falsches Signal. Das sorglose Dahinschlemmen ist vorbei. Autos mögen in Zukunft effizienter und sparsamer werden, aber das reicht nicht aus. In wenigen Jahren, vielleicht in einem, vielleicht aber auch erst in fünf, ist das Maximum der Ölförderung überschritten, dann werden die Preise sprunghaft ansteigen.

Halten denn hohe Preise vom Autofahren ab?

Menschen reagieren auf Gewohnheiten, weniger auf den Preis. So ein Schlendrian ist wahnsinnig schwer abzugewöhnen. Das Auto bestimmt den Alltag. Mittlerweile haben die Menschen ein Auto zum Einkaufen in der Stadt, eines für den Urlaub, manche sogar verschiedene für Sommer und Winter. Und das bis ins hohe Alter: Bei Männern sinkt der Autogebrauch erst ab einem Alter von 77 Jahren, bei Frauen wird das in zwanzig Jahren auch der Fall sein. Autofahren ist heute ein Standard, leider.

Wie kann denn das Gewohnheitstier überlistet werden?

Lange Zeit haben wir darauf gesetzt, dass die so genannten immateriellen Transfers das Auto ersetzen, also dass zum Beispiel statt irgendwohin zu fahren nur eine E-Mail geschrieben wird. Leider trat das Gegenteil ein: Die E-Mail wird nun geschickt, um eine internationale Konferenz zu organisieren. Die Globalisierung ist zu einem gigantischen Warenaustausch geworden und hat damit eine gigantische Verkehrslawine ausgelöst. In zwanzig Jahren ist das verheerend: Wenn die Weltbevölkerung unseren deutschen Standard erreicht, gäbe es zehn Mal so viele Autos.

Die Summe der Autos mag steigen, aber die zurückgelegten Wege pro Kopf und Jahr werden doch weniger.

Aber schon der Autobesitz belastet die Umwelt. Für jeden PKW werden 100 Quadratmeter Parkplatzflächen zubetoniert, zuhause, in der Stadt, sogar in grünen Erholungsgebieten. Dafür müsste auch die Haltesteuer erhöht werden. Wenn jeder Mensch 100 Quadratmeter Wohnfläche hätte, wäre das doch toll.

INTERVIEW: ANNIKA JOERES