: „Gesetzlose“ vor Gericht
Osnabrücker Rocker-Prozess beginnt mit einer Machtdemonstration des Angeklagten
Der Angeklagte blieb stehen und erhob die Faust zum Gruß. Im Gerichtssaal standen seine 30 Anhänger in voller Rockermontur auf: Ehrerweisung für den des Totschlags angeklagten Chef. Wenn es nach der Vorsitzenden Richterin Barbara Havliza geht, war diese Machtdemonstration am ersten Tag des Osnabrücker „Rocker-Prozesses“ die letzte. „Sie mögen in ihren Gruppen eigene Spielregeln haben, aber hier gelten unsere Regeln“, sagte Havliza, die für strenge Sicherheitsvorkehrungen am Landgericht Osnabrück gesorgt hatte. Im ganzen Haus beobachteten dutzende stark bewaffnete Polizisten das Geschehen. Allein die Einlasskontrolle vor dem Gerichtssaal dauerte eine Stunde länger als geplant.
Der Grund für den Aufwand: In dem Prozess geht es um einen Totschlag in der Osnabrücker Motorradgang-Szene, nach ersten Ermittlungen das vorläufige Ende eines blutigen Bandenkrieges zwischen den „MC Bandidos“ und den „MC Outlaws“. Dem 45-jährigen Anführer der Bandidos wird vorgeworfen, im Juli vergangenen Jahres ein damals 30-jähriges Mitglied der verfeindeten Gruppe „MC Outlaws“ in Wallenhorst bei Osnabrück aus ein bis zwei Metern Entfernung erschossen zu haben. Mitangeklagt wegen versuchten Totschlags ist der 19-jährige Sohn des mutmaßlichen Täters, der auf das bereits tödlich verletzte Opfer mit einem Baseballschläger geschlagen haben soll. Persönliche Differenzen zwischen Täter und Opfer schließt die Polizei nicht mehr aus. Es wird aber angenommen, dass es um Gebietsstreitigkeiten ging.
Nach Einschätzung von Experten sind die beiden Gangs zwei von vier großen, international agierenden Rockerbanden in Deutschland, die ihre Vorliebe für die schnellen Zweiräder als Deckmantel für kriminelle Machenschaften wie Drogenhandel, illegale Waffengeschäfte, Zuhälterei und Menschenhandel nutzen. Vor allem hätten die Gruppen die Türsteherszene fest im Griff, damit sie ihre Drogen besser in Clubs und Diskos verkaufen könnten, sagt Rainer Bruckert, Leitender Kriminaldirektor beim Landeskriminalamt Hannover. Haben mehrere Banden lokale Gruppen in derselben Stadt, wird die Macht im kriminellen Milieu meist durch Absprachen aufgeteilt. Vor allem im Nordwesten bahnen sich Bruckert zufolge Gebietskämpfe an.
Morgen wollen sich die Angeklagten zu den Tatvorwürfen der Staatsanwaltschaft äußern, insgesamt soll der Prozess zehn Verhandlungstage dauern. dpa