: Brechmittel – verantwortlich ist Scherf
Die Anordnung zur zwangsweisen Vergabe von Brechmitteln hat 1995 das Justizressort gegeben – gegen ärztlichen Rat
Bremen taz ■ Für die gewaltsame Verabreichung von Brechmittel bei mutmaßlichen Drogendealern ist letztlich die Staatsanwaltschaft und damit der Bremer Justizsenator Henning Scherf (SPD) verantwortlich, der sich aus der aktuellen Diskussion bisher herausgehalten hat.
Vor zehn Jahren ist aufgrund verschiedener Probleme bei der Brechmittelvergabe diese Aufgabe den Polizeiärzten entzogen und dem Institut für Rechtsmedizin am St.-Jürgen-Krankenhaus übertragen worden.
Der Leiter dieses Institutes, Michael Birkholz, hatte sich auch mit den medizinischen Hinweisen der Kritiker und der umfangreichen Dokumentation von Komplikationen bei der Brechmittelvergabe damals befasst (siehe www.antirassismus-buero.de). Nach einem Bericht des Justizsenators an die Deputation vom 19.5.1995 hatte Birkholz klargestellt: „Die Verantwortung für die Anordnung von Exkorporationen liegt ausschließlich bei der Justiz; der Arzt ist lediglich für die Sorgfalt bei der Ausführung verantwortlich … Zwangsmaßnahmen durch den Arzt kommen nicht zur Anwendung.“ In demselben Papier berichtete der Senator den Parlamentariern, dass die Staatsanwaltschaft sich über dieses Votum hinweggesetzt und in ihrer „Allgemeinen Verfügung“ am 3.5.1995 angeordnet hat: „Weigert sich der Beschuldigte, das Brechmittel freiwillig zu trinken, wird ihm der Saft mit Hilfe einer Sonde eingeflößt, es sei denn, es bestehen im Einzelfall aus ärztlicher Sicht Bedenken gegen das Legen einer Sonde.“
Als Beamter war Birkholz damals an Weisungen gebunden, als Leiter des inzwischen privatisierten Gerichtsmedizinischen Institutes hatte er zudem beträchtliche Einnahmen – die Rede ist von einer halben Million Euro im Jahr – durch die Arbeit für Gerichte und Polizei. Bei der Ausführung der Anweisungen des Justizressorts machte Birkholz damals eine klare Einschränkung: „Ich persönlich würde es nicht verantworten, Nasensonden – wie durch Polizeiärzte geschehen – ohne gleichzeitige Röntgenkontrolle zu legen.“ Wenn ein Patient sich wehre, gebe es ein Risiko – „der Entscheidungsträger muss wissen, dass er im Falle eines Falles angreifbar ist“.
Nachdem er den Drogen-Auftrag der Polizei zum 31.12.2004 verloren hatte, musste Birkholz mehreren Mitarbeitern kündigen. Für den Arzt Igor Volz war die Exkorporation an Laya-Alama Conde am 27.12.2004 also gewissermaßen die letzte Amtshandlung für das Gerichtsmedizinische Institut. kawe