: Nichts als falsche Versprechen
Wie richtet man sich im Global Village der weltumspannenden Wirtschaft ein? Das Globale05-Festival widmet sich mit über 60 Filmen den Konfliktzonen von sozialer Abhängigkeit, Medienmacht und wachsendem politischem Widerstand
VON HANNAH PILARCZYK
Kann man sich ein Bild von etwas machen, von dem man keinen Begriff hat? Und zugleich auch noch eine kritische Haltung dazu entwickeln? Die globale05 versucht es zumindest und widmet der Globalisierungskritik ein Filmfestival, ohne dabei eine Definition von Globalisierung noch von kritischer Haltung dazu zu entwickeln. Heraus gekommen ist eine Auswahl von über sechzig Filmen, die im Acud und im Central gezeigt werden. Mit dem Programm will das Festival vor allem Anknüpfungspunkte an diverse Verständnisse von Globalisierung und ihre Kritik bieten: Mal steht die wirtschaftliche und soziale Abhängigkeit im Vordergrund, mal wird nach den Überbleibseln der antiimperialistischen Befreiungskämpfe gefragt.
„Ausbeutung und Entrechtung, Grenzüberschreitung und Deportation, Krieg und Konzernherrschaft, Kampf und Hoffnung“ sind die Schlagworte, mit denen die Veranstalter ihren inhaltlichen Horizont weltumspannend abstecken. Sieben Schwerpunkte sollen für Fokussierung sorgen. Ob die Themenbandbreite von „BRD 2010“ über „Die Freiheit, der Balkan und die Frauen“ bis hin zu „Ist Mode politisch?“ das leisten kann, ist aber mehr als fraglich. Nach Vorstellung der Veranstalter sollen vor allem die anschließenden Diskussionen und Workshops die inhaltlichen Bezüge der Filme untereinander herstellen.
Immerhin eröffnet diese Beliebigkeit ein Spektrum an Filmen, in der absolut Sehenswertes neben eher Sehensunwertem Platz findet. Der Schwerpunkt zur Migration etwa zeigt die Probleme des migrantischen Lebens sowohl vor als auch hinter den Grenzen. In geschicktem Gegenschnitt von innen und außen stellen zwei Dokumentarfilme den Umgang Australiens mit Flüchtlingen dar. Der 2002 in Großbritannien produzierte „Australia's Pacific Solution“ ruft die empörenden Ereignisse rund um ein Flüchtlingsschiff in Erinnerung, das 2002 vor der australischen Küste lag und dem Premierminister Howard nach einem agitatorischen Kraftakt die Landung versagte.
Umgekehrt zeigt der australische Beitrag „The Woomera Breakout“ die widersprüchlichen Folgen auf, die die spontane Stürmung eines Abschiebegefängnisses im Jahr 2002 hatte. Nach der Euphorie über die gemeinschaftlich erzeugte Dynamik stellt sich auf beiden Seiten des erneut errichteten Stacheldrahtzauns Ernüchterung ein. Für die Lagerinsassen entpuppt sich die Stürmung als ein falsches Versprechen auf Freiheit. Nachdem Wärter und Soldaten sie wieder eingefangen haben, sind die Repressionen heftiger als je zuvor. Und den Demonstranten stellt sich die Frage, ob ihr Engagement für die Insassen die Rollenaufteilung zwischen Tätern und Opfern nicht vielmehr gefestigt statt aufgelöst hat.
Ähnlich dezidiert widmet sich das Festival in seinem Programm auch Fragen nach der Macht der Medien. Nationale und globale Medienmärkte sind vor allem durch zwei Entwicklungen geprägt: fortschreitende Konzentration und Verflechtung mit der Politik. Welchen Einfluss beides auf die öffentliche Meinung hat, führt Robert Greenwald in seiner Aufsehen erregenden Dokumentation „OutFoxed – Rupert Murdoch's War on Journalism“ vor, die in Deutschland erstmals auf der globale05 zu sehen ist. Nachdem Murdoch mit Hilfe der Konservativen Partei fast die Hälfte aller überregionalen englischen Zeitungen erwerben kann, macht er sich daran, auch in den USA zur absoluten Medienmacht aufzusteigen. Die Erfolgsgeschichte von Murdochs Fernsehsender „Fox News Network“ ist eine Geschichte von Parteilichkeit und Propaganda, die sich allein in den Dienst von Präsident George W. Bushs Republikanern stellt.
Zu guter Letzt geht es der globale05 in ihrer Bestandsaufnahme auch um eine Kritik der ökonomischen Verhältnisse. Wie richtet man sich im Global Village der weltumspannenden Wirtschaft ein? Mit hellblauen Hemden und absoluter Unterwürfigkeit. So leben es zumindest die Protagonisten von Marc Bauders Dokumentation „Grow or Go“ vor. Der im Rahmen des ZDF-Fernsehspiels entstandene Film zeigt vier Absolventen einer Elite-Wirtschaftsuniversität bei ihrem Berufseinstieg als Unternehmensberater vor. Sie sprechen über sich und ihre Lebensentwürfe. Ein Kommentar ist da nicht nötig, so entlarvend sind ihre Phrasen über Erfolg, Arbeit, Anstrengung und Veranlagung. Mit Hilfe der kühl komponierten Bilder verschickt Bauers Film wunderbar verblasste Postkarten aus der Beraterwelt – auf der Rückseite ein Sinnspruch in Recruiting-Deutsch.
Heute um 19.30 Uhr wird die globale05 im HAU2-Theater (Hallesches Ufer 32) mit dem Film „Das Netz“ von Lutz Dammbeck eröffnet. Zusätzlich zu den Filmen bietet die globale05 Workshops zu u. a. Hartz IV und Medienpolitik an. www.globale-filmfestival.de