: Eine linke Geschichte
Einst ging der Rotbuch Verlag aus dem Wagenbach Verlag hervor. Nun verlangt der Verleger Klaus Wagenbach den Namen zurück – und verweist damit auf ein Problem
Die Branche ist nicht aufgeschreckt. Zur Kenntnis aber nimmt sie den merkwürdigen Streitfall dennoch – das Börsenblatt des deutschen Buchhandels bezeichnet den Vorgang immerhin als „Aufreger der Woche“; das Fachmagazin Buchmarkt widmet ihm fast eine ganze Seite. Denn Klaus Wagenbach, Begründer und bis 2002 Inhaber des nach ihm benannten Verlages, fordert öffentlich den Namen Rotbuch vom gleichnamigen Verlag zurück. Dass er damit Erfolg haben würde, räumte Wagenbach im Gespräch mit der taz ein, glaube er allerdings nicht.
Denn es handelt sich hier um eine moralische Frage. Und um eine linke Geschichte. Der Rotbuch Verlag nämlich ging aus dem 1964 gegründeten Wagenbach Verlag hervor. In diesem erschienen ab 1968 neben den legendären „Quartheften“ ab 1968 auch die „Rotbücher“, „Texte der neuen Linken“ sollten dort nach dem Willen von Namensgeber Wagenbach versammelt werden. Zugleich wurde in dem Verlag, in dem bereits die Autoren über ein weitgehendes Mitspracherecht verfügten, über Kollektivideen diskutiert, wie auch an anderen Orten, etwa bei Suhrkamp (aus diesem politischen Streit ging der Verlag der Autoren hervor).
Ab 1969 gab man sich bei Wagenbach eine Kollektivverfassung, das Kollektiv zerbrach jedoch knapp vier Jahre später. Es entstanden der Klaus Wagenbach Verlag auf der einen, der Rotbuch Verlag auf der anderen Seite. Die AutorInnen und LektorInnen des Verlages konnten wählen, unter welchem Dach sie zukünftig arbeiten wollten. Manfred Naber, bisher neben Wagenbach Geschäftsführer des Wagenbach Verlages, neigte ebenso wie der damalige Lektor F. C. Delius der Kollektividee zu, sodass man sich schließlich darauf einigte, dass der Rotbuch Verlag der Rechtsnachfolger der früheren Wagenbach GmbH sei. Daher erschien Delius’ von Verbotsprozessen begleitete „Festschrift“ „Unsere Siemens-Welt“ fortan im Rotbuch Verlag. Der heutige Klaus Wagenbach Verlag hingegen war – betriebsrechtlich gesehen – eine Neugründung.
In der Verfassung des Rotbuch-Kollektivs fand sich, wie Klaus Wagenbach heute betont, der Passus, dass der Verlag nicht verkauft werden dürfe. Nun wurde der Verlag allerdings 1993 veräußert und ging in dem kleinen Verlagsimperium von Sabine Groenewold auf. Der ehemalige Baader-Meinhof-Anwalt Kurt Groenewold, ein Freund „aus der gemeinsamen linken Vergangenheit“, so Wagenbach, habe ihn vom Kauf in Kenntnis gesetzt. Der Freundschaft wegen habe sich Wagenbach nicht weiter zum Geschehen geäußert.
Als allerdings im vergangenen Jahr bekannt wurde, dass die Groenewold-Verlage mit dem Philo Verlag und dem Züricher Europa Verlag verschmolzen werden, Groenewold ausscheidet und zudem Axel Rütters einer der beiden Leiter dieser Verlagsgruppe sein wird, den Wagenbach „einen der berüchtigsten Defraudanten der Verlagsszene“ nennt, reichte es ihm. Er forderte von Groenewold wie von den neuen Eigentümern den Namen – nicht das Unternehmen – Rotbuch zurück, da er eben der Urheber des Wortes sei und verlagsrechtliche Bedenken habe : „Ich möchte nicht, das dieser Name als GmbH-Mantel durch die Lüfte der freien Marktwirtschaft fliegt.“
Damit verweist Wagenbach auf einen elenden Umstand – die oft mit viel Geschichte behafteten Verlagsnamen sind inzwischen zu Waren geworden, die in Verlagsgruppen und Konzernen nach Gutdünken hin und her verschoben werden können; man kennt dergleichen bereits aus der Plattenindustrie. Ein renommierter Verlag wie der Luchterhand Literaturverlag wechselte in den vergangenen 17 Jahren mehrmals den Besitzer. Heute gehört er zu Bertelsmann, in deren Firmenregister sich auch andere „Imprints“ wie etwa der Verlag Volk & Welt finden, dessen Rechte der Konzern nutzt, während er den Verlag entschlafen ließ – bis er vielleicht als „neuer“ Verlag mit „langer Tradition“ wieder auftaucht.
Ein ähnliches Schicksal will Wagenbach dem Namen Rotbuch ersparen. Er hat jedoch keine Chance – die neuen Besitzer haben ihm bislang nicht einmal geantwortet. Stattdessen kündigen sie für den Rotbuch Verlag eine Wiederauflage von Gerhard Seyfrieds „Wo soll das alles enden?“ an und somit eine Rückkehr zu den „Wurzeln“. Bis zum nächsten Verkauf.
JÖRG SUNDERMEIER