: Abbas und Scharon peilen Treffen an
Für den neuen Palästinenserpräsidenten hat eine Einigung über einen Waffenstillstand Priorität, nicht aber die Entwaffnung der Oppositionsgruppen. Ein Besuch von Abbas in Washington wird vermutlich erst nach einer Waffenruhe stattfinden
AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL
Vermutlich schon in der kommenden Woche wollen Israels Premierminister Ariel Scharon und der frisch gewählte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zusammenkommen. „Wir reichen unseren Nachbarn die Hände“, hatte Abbas kurz nach seinem überragenden Wahlsieg am Wochenende erklärt und zu einer Wiederaufnahme der Friedensgespräche aufgerufen. Scharons ehemaliger Bürochef Dov Weisglass und der palästinensische Finanzminister Salam Fayyad sind beauftragt, einen Termin zu vereinbaren.
„Ich rechne damit, dass in naher Zukunft ein Treffen stattfindet, um verschiedene Punkte voranzutreiben“, meinte Scharon gestern in einer außerordentlichen Sitzung der erst am Vorabend mit knapper Mehrheit vom Parlament bestätigten neuen Regierung. Dazu gehörten „Sicherheitsangelegenheiten“ sowie „die palästinensischen Maßnahmen zur Einstellung des Terrors“.
Die erweiterte Koalition, die sich aus dem Likud, der Arbeitspartei und der ultraorthodoxen Fraktion Judentum und Thora zusammensetzt, schaffte nur mit den Stimmen des linken Bündnisses Jachad und zweier arabischer Abgeordneter eine schwache Mehrheit bei der parlamentarischen Absegnung der neuen Ministerriege. Kritisch wird es erneut für Scharon, wenn bis zum 31. März der Haushalt verabschiedet wird, den die Jachad-Fraktion erklärtermaßen nicht trägt. Aus Regierungskreisen verlautete, dass der Ministerpräsident die geplanten weiteren Koalitionsverhandlungen mit der orientalisch-orthodoxen Schass vermutlich erst nach einem Treffen mit Abbas aufnehmen wird.
Die Äußerungen von Abbas im Verlauf des Wahlkampfes seien „nicht ermutigend gewesen“, kritisierte Scharon, der allerdings ankündigte, Abbas persönlich gratulieren zu wollen. Abbas hatte Israel einen „zionistischen Feind“ geschimpft. Scharon wiederholte seine Forderung, dass die militanten Widerstandsgruppen entwaffnet werden müssten. Das hat Abbas, Berichten zufolge, derzeit indes nicht vor.
Die höchste Priorität des neuen Palästinenserpräsidenten gilt nach der Kabinettsbildung dem Dialog mit den Oppositionsgruppen und der Einigung über einen Waffenstillstand. Um das zu erreichen, appellierte Abbas auch an die USA, Israel zu einer Einstellung der „präventiven Exekutionen“ zu drängen. Offenbar will Abbas erst nach Erreichen eines Waffenstillstands die Einladung von US-Präsident George W. Bush nach Washington annehmen.
Im Bereich der Reform des Sicherheitswesens zeichnet sich bereits eine Regelung ab, nach der die derzeit zwölf Sicherheitsorgane in drei zentralen Bereichen konzentriert werden, die wiederum dem Nationalen Sicherheitsrat unterstehen. Das oberste Kommando über die Sicherheitsdienste bleibt in den Händen des Palästinenserpräsidenten. Chef des Nationalen Sicherheitsrates soll Premierminister Ahmed Kurei werden, sollte er, wie zu erwarten, von Abbas in seinem Amt bestätigt werden.