: Heimliche Vatitests vorm Bundesgericht
Der Bundesgerichtshof verhandelt heute, ob geheime Vaterschaftstests vor Gericht verwertbar sind. Zwei Männer haben dies gefordert. Denn nur dann haben sie überhaupt eine Chance, ihr Vatersein gerichtlich klären zu lassen
FREIBURG taz ■ Die Rechtsprechung überholt die Politik. Während in Berlin noch über ein gesetzliches Verbot heimlicher Vaterschaftstests diskutiert wird, fällt der Bundesgerichtshof (BGH) bereits ein Grundsatzurteil zu dieser Frage. Heute verhandelt der Familiensenat des BGH in nichtöffentlicher Sitzung.
Konkret geht es um die Frage, ob heimlich erstellte Vaterschaftsgutachten vor Gericht verwertbar sind. Die Oberlandesgerichte in Jena und Celle verneinten dies in zwei Pilotentscheidungen im März und Oktober 2003. In beiden Fällen legten die Väter Revision ein. Jetzt muss der BGH unter der Vorsitzenden Richterin Meo-Micaela Hahne ein Urteil mit bundesweiter Wirkung fällen.
Im Jenaer Fall hatte ein Mann die nichteheliche Vaterschaft für einen heute 17-jährigen Jungen anerkannt. Weil ihm das Kind nicht ähnlich sah, kamen ihm später Zweifel. Mit einer Haarwurzel des Kindes ließ er heimlich einen Test anfertigen. Ergebnis: Vaterschaft ausgeschlossen. Der Celler Fall liegt ganz ähnlich. Hier ist das Kind aber erst 10 Jahre alt und der Test wurde mit einem Kaugummi durchgeführt.
In beiden Fällen wollten die Väter mit dem Gutachten in der Hand ihre Vaterschaft anfechten. Doch die Oberlandesgerichte entschieden, dass die heimlich erstellten Tests vor Gericht nicht verwertbar sind, weil sie das Selbstbestimmungsrecht der Kinder missachten. Weder das Kind noch die Mutter als Sorgeberechtigte habe dem Test zugestimmt.
Zwar erkennt das OLG Jena an, dass auch der Vater ein rechtlich geschütztes Interesse auf Kenntnis seiner Vaterschaft hat. Dieses Interesse müsse aber hinter dem Kindeswohl zurückstehen. Das Kind habe ein vorrangiges Recht, „ungestört in den gewohnten sozialen Bindungen aufwachsen zu können“.
Das OLG Celle stellt darüber hinaus noch die Verlässlichkeit der heimlichen Tests in Frage. Es sei nicht belegt, dass die untersuchten Körperzellen tatsächlich vom Kläger und dem Kind stammen. Deshalb sei ein derartiges Gutachten nicht einmal geeignet, „hinreichende“ Zweifel an der Vaterschaft aufzuwerfen.
Folgt der BGH dieser restriktiven Linie, so haben Väter zunächst keine Möglichkeit, die Vaterschaft gerichtlich anzufechten. Paragraf 1600 b des Bürgerlichen Gesetzbuchs will nämlich Vaterschaftsanfechtungen tendenziell verhindern, um den Familienfrieden zu wahren. Die Anfechtung ist nur binnen zwei Jahren möglich, nachdem Umstände bekannt wurden, die gegen die Vaterschaft sprechen. Wenn ein Säugling also eine andere Hautfarbe als die Eltern hat, dann kann der Vater dies nur zwei Jahre lang als Anlass für eine Anfechtung seiner Vaterschaft nutzen. Wenn er darauf verzichtet, weil er auf eine glückliche Zukunft mit der Mutter hofft, dann kann er später dieses Argument nicht mehr aufgreifen. Viele Väter wünschen daher, dass ein geheimes Gutachten von den Gerichten als neuer „Umstand“ anerkannt wird, der gegen die Vaterschaft spricht. Dann würde nämlich die Zwei-Jahres-Frist für Anfechtungen neu zu laufen beginnen. Nach den bisherigen Urteilen in Celle und Jena ist diese Erwartung enttäuscht worden.
Der Entwurf für ein Gendiagnostikgesetz, den die Koalition derzeit diskutiert, will heimliche Vaterschaftsgutachten bei Strafe verbieten. Die gerichtliche Verwertbarkeit solcher Gutachten ist allerdings nicht ausdrücklich angesprochen. CHRISTIAN RATH
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