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Archiv-Artikel

Allen Schmerz ...

„Die Komikerin“ von Dagmar Papula feierte Uraufführung – getragen von sentimentaler TV-Rhetorik und einer wunderbaren Sterbeszene

Das Scheitern wird ans brüllende Gelächter des Publikums verfüttert

eute schon ferngesehen? Nein? Also ab ins Theater. Dort erfahren wir jetzt von der 25-jährigen Rahel, dass sie Schreiner-Meisterin werden will, aber erst mal den Zahnarzt Arthur heiratet. Weil das für eine anrührende Geschichte noch nicht reicht, hat Rahel Krebs im Endstadium. So dass auch noch Musik gemacht werden kann. Jedenfalls zerschmilzt das harte Herz von Rahels Mutter zu balladeskem Parlando, aus dem die Worte tropfen wie Tränen: „Allen Schmerz sollst du mir geben / Krankheit, Unglück weg von Dir“.

Ja, dieses Theater klebt – irgendwie arg an der sentimentalen Rhetorik von TV-Serien. Immerhin heißt Dagmar Papulas jüngstes dramatisches Werk „Die Komikerin“, will also humoristisch all diese Klischees durchkneten. Die Zuschauer bei der Uraufführung im Schauspielhaus sollen lächeln. Ganz nahe beim Weinen. Das wäre dann das Schöne an einem solchen Stück TV-Theater. Das würde diese Produktion von „Shakespeare und Partner“ auch an den Namenspatron zurückbinden, heftigste Tragik und derbste Komik einzusetzen als dramatisch geschickt verwobene Spiegelungen einer existenziellen Fragestellung.

Aber: Bei Papula sind die Spiegelungen unscharf, die Verknüpfungen hölzern. Die Balance der dramatischen Widersprüche wird nicht gewahrt. Und ärgerlich ist, dass dramatisch kaum Platz bleibt, unmittelbar erlebbar zu machen, was Krebs als Erkrankung zum Tode für einen Menschen bedeutet. Auch wird die Krankheit nicht, wie es gerade literarische Mode ist, als Metapher eingesetzt – etwa für menschliche Beziehungen, die durch Ignoranz von innen zerfressen werden.

Die schlaglichtartige Chronik des karzinogenen Dahinscheidens erscheint als beliebiger Kniff für den pädagogischen Effekt, Rahels Mutter, die „Komikerin“, auf den Pfad der Tugend zurückzubringen. Die Hauptfigur soll erst verachtet, dann entlarvt, dann geläutert werden. Das Stück, das die Autorin der Darstellerin Papula auf den Leib geschrieben hat, ist jedoch eher ein Solo für zynische Comedians à la Harald Schmidt. Der hat teure TV-Sendezeit verramscht und sich das Maul über die Welt zerrissen, da alles egal, also alles lustig ist. Die Komikerin verramscht sich selbst als „rampengeile Sau“. Ihr lächerlich gewöhnliches Scheitern als Mutter, Gattin, Liebhaberin, Schauspielerin wird ans brüllende Gelächter des Publikums verfüttert.

„Das Ende des Witz‘“ nennt sich die Selbstekel-Show – ein Lebensrückblick als Witz ohne Pointe. In den das Publikum plump direkt mit hineingezogen wird. „Hand aufs Herz“, tönt es von der Bühne herab, „wer von ihnen hatte einen anwesenden Vater?“ „Sorry about that, ich wollte sie nicht provozieren. Dachte nur, es geht ihnen wie mir.“ Das hätte sicherlich eine Art rebellischen Reiz, aber Papula geht ihre Rolle zu nachdenklich, zu unsicher an, als wisse sie von Anfang an um die Fragwürdigkeit der Figur. So wird die Komikerin ihrer Fallhöhe beraubt.

Norbert Kentrup versteckt seine schauspielerische Leidenschaft hinter einer prätentiösen Brille, die ihn als Zahnarzt in der Geldaristokratie verorten soll. Sebastian Bischoff darf kaum mehr als ein schickes schwarzes Hemd vorführen. Dominique Lüdi gewinnt der Rahel mit einer schönen melancholischen Mädchenhaftigkeit einige authentische Momente ab.

Wirklich wunderbar gelungen ist ihr – und dem finnischen Regisseur Vesa Tapio Valo – die Sterbeszene. Lüdi entschwebt den kuschelig wiegenden Armmonumenten Kentrups, lässt ihm nur das Halstuch zurück und tänzelt mit strahlender Glücksmiene zur Tür hinaus – ja für dieses tieftraurig-finalen Optimismusmoment verzeiht man gern die olle Medien- und Zeitgeistkritik der „Komikerin“. Jens Fischer

Nächste Vorstellungen: 29./30. Januar, 8./9./29./30. Februar