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Archiv-Artikel

Patienten schützen

betr.: „Brechmitteleinsatz vor Gericht“ u. a., taz vom 11. 1. 05, „Tödlicher Gewahrsam“, taz vom 10. 1. 05

Wenn dringende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand Drogenpäckchen verschluckt hat, ist ja nicht nur die Beweissicherung von strafprozessrechtlicher Bedeutung, sondern auch die Vorbeugung einer Schädigung des Dealers oder Konsumenten durch die ingestierten Drogen von medizinischer Bedeutung. Bekanntermaßen kann es zum sog. „Bodypacker-Syndrom“ kommen, wenn ein Drogenbehälter platzt und große Drogenmengen rasch in den Organismus gelangen, wie bei einer Drogen-Überdosis. Auch hier kam es mehrfach zu Todesfällen.

Ob die in diesem Falle tätigen Mediziner aus strafprozessualer-punitiver oder medizinisch-präventiver Sicht handelten, bleibt offen. Die „einfachste Alternative zum Brechmitteleinsatz“ könnte also ebenso angreifbar sein, im Sinne von unterlassener Hilfeleistung. Dabei ist es eine typische Erfahrung, dass sich Patienten, die zuvor in suizidaler Absicht Tabletten eingenommen haben, ebenso gegen eine Magenspülung wehren können, obwohl man ja objektiv im Sinne des Patienten handelt und möglichst nicht „das Gift“ erst in den Körper gelangen lassen will.

Ich habe keine Ideallösung anzubieten. Es wird nichts anderes übrig bleiben, als diesen Fall gutachtlich aufzuarbeiten und alle Möglichkeiten, auch die eines „Bodypacker-Syndroms“, zu prüfen, ferner ein für die Bundesrepublik allgemeinverbindliches Reglement festzulegen, wie in solchen Fällen standardisiert verfahren werden kann, vor allem, um den Patienten (!) zu schützen.

Dr. med. REINHARD BORNEMANN, Bielefeld

Ärgerlicherweise zeigen die Bilder der letzten beiden Ausgaben ihrer Zeitung nicht, wie die Unterschriften behaupten, Kapseln, wie sie von StraßendealerInnen gebraucht werden. Vielmehr handelt es sich um Packungen, wie sie meist beim Schmuggel verwendet werden. Das ist aus zwei Gründen sehr ärgerlich und legt falsche Schlüsse nahe:

1. Bei den Kapseln handelt es sich um sehr viel kleinere Mengen an Stoffen. So war die Menge an Stoffen, die der jetzt durch Polizeigewalt verstorbene Mann geschluckt hatte, so gering, dass es sich bei seiner „Tat“ nur um ein Vergehen, nicht einmal ein Verbrechen handelte. Durch Ihre Bilder entsteht aber der Eindruck, dass es sich um große Mengen der Stoffe handeln würde. Dies ließe den Einsatz von Brechmitteln gerechtfertigter erscheinen.

2. Besteht von der Ummantelung her ein erheblicher Unterschied. War es schon vorgekommen, dass sich große Packungen – z. B. bestehend aus Kondomen – beim Transport im Körper der schmuggelnden Person öffneten und daher durchaus eine Gefährdung der schmuggelnden Person vorliegen kann, ist mir dies bei den Kapseln der StraßendealerInnen bisher nicht bekannt geworden. Die Gefährdung durch die geschluckten Kapseln dient der Polizei aber als Begründung für die Durchführung der Brechmittelvergabe. Insofern legen Ihre Bilder nahe, dass die Begründung der Polizei (und des Bremer Innensenators) zur Durchführung der Brechmittelvergabe richtig ist. Dies ist jedoch nicht der Fall.

BERNHARD STOEVESANDT, Bremen

Die Anwendung von unverhältnismäßigen Mitteln, die mit der Billigung der gesundheitlichen Gefährdung von Straftätern bis hin zum Tode einhergeht, zeigt nur ein weiteres Mal, wie verfahren die Drogenbekämpfungspolitik in Deutschland ist. Ein Rechtsstaat, der den Namen verdient, darf sich nicht aus lauter Bequemlichkeit oder Verzweiflung der Instrumente bedienen, die ihn ad absurdum führen.

KLAUS SAMER, Witten

Ich glaube, Sie sehen das ein wenig einseitig. Selbstredend muss die Menschenwürde einer verdächtigen Person geachtet werden. Aber wenn jemand Päckchen mit Drogen verschluckt, geht er dann nicht bereits das Risiko ein, das eines platzen könnte und damit den Tod herbeiführt. Ich denke, diese Menschen sind sich der Risiken sehr wohl bewusst. Und die werden nur aus reiner Profitgier eingegangen. Ich habe mit solchen Zeitgenossen kein Mitleid.

EGMONT SAILER, Rheinfelden

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