: Ministerlohn wird nachgeliefert
Eine Hauptschule in Duisburg bekam gestern hohen Besuch: Bildungsministerin Ute Schäfer und Innenminister Fritz Behrens ließen sich die Umsetzung ihrer Anti-Gewaltprogramme präsentieren
AUS DUISBURG NATALIE WIESMANN
20 SchülerInnen der Gesamthauptschule Wiesbadener Straße in Duisburg-Meiderich stehen neugierig um die fette Staatskarosse der Landesschulministerin Ute Schäfer herum und kichern. Die Szene erinnert an einen Film über die ersten Gastarbeiter, die mit einem frisch erworbenen Mercedes Benz in ihrem anatolischen Dorf ankommen. Im Gegensatz zur Ministerin können die SchülerInnen der grauen Siedlung im Norden von Duisburg nicht entfliehen: Über 70 Prozent der Jugendlichen hier haben einen Migrationshintergrund. Wenn man PISA glaubt, haben sie kaum Chancen, gesellschaftlich aufzusteigen.
Doch dieser Vormittag soll das Auseinanderklaffen der Welten vergessen lassen, positive Stimmung verbreiten. Schäfer und ihr sozialdemokratischer Kollege, Landesinnenminister Fritz Behrens, sind angereist, um die Früchte ihrer Gewaltpräventionsprogramme zu bestaunen. Rektor Jürgen Gerber berichtet von Kooperationen mit der Polizei in Form von „Keine-Toleranz“-Projekten und nächtlichem Streetball. Schulintern würden Konflikte aufgearbeitet, indem sie benannt und nach ihrer Ursache erforscht würde. „Die Konflikte sind selten ethnisch bedingt“, so Gerber. Mit Hilfe von Rollenspielen und der Schulung von LehrerInnen zu Streitschlichtern soll die Gewalt an seiner Schule verringert werden. Die Erziehung in Gewaltfragen fördere zudem ein Klassenlehrer, der viel Zeit für die Kinder hat. „Das geht nur, wenn eine Schule so gut personell ausgestattet ist wie unsere“, so Gerber. Bis zu 15 Stunden verbringen die KlassenlehrerInnen an seiner Schule mit ihren Zöglingen. Nur die halbe Sozialarbeiterstelle könne ruhig aufgestockt werden, adressiert er an Schäfer.
Die Minister zeigen sich beeindruckt von der Umsetzung ihrer Präventionsprogramme: „Es ist schön zu sehen, wie das, was wir am grünen Tisch entwerfen, hier greift“, so Schäfer. Auch Behrens ist froh, wenn Kriminalität „erst gar nicht entsteht“. Ein Leben in den Grenzen des Rechtsstaates sei anzustreben, „bei all den Problemen, die es so gibt, wie Arbeitslosigkeit und so“, sagt Behrens mit einer wegwerfenden Handbewegung. Dass die Gewalt unter Jugendlichen trotz der Programme seines Ministeriums nicht abgenommen hat, sagt er nicht – obwohl es auf seinem Sprechzettel steht.
Der Besuch in der Schulform Hauptschule habe nichts damit zu tun, dass es keine Gewalt an anderen Schulen gäbe, so der Minister. „Auch an Realschulen und Gymnasien laufen unsere Programme“, sagt er. Auch dort würden Streitschlichter ausgebildet und Suchtprävention betrieben. Doch der erzieherische Aspekt sei bei der Hauptschule „besonders groß“, ergänzt Schäfer. Dies sei zwar richtig, aber „was die Sachbeschädigungen angeht, stehen die Duisburger Hauptschulen nicht schlechter da als die Gymnasien“, verteidigt Rektor Gerber seine Schule gegen die gängigen Klischees. Die Hauptschule habe ihre Existenzberechtigung, kommentiert er die Überlegungen, das dreigliedrige deutsche System abzuschaffen.
„An einer Schule wie eurer würde ich gerne wieder als Lehrerin unterrichten“, schmeichelt Schäfer den drei Mädchen der Schülerzeitung. „Das ist eine Frage, die nicht uns, sondern unseren Rektor interessiert: Wie viel verdienen Sie eigentlich?“, will Albana von der Ministerin wissen. Schäfer sagt, das könne sie aus dem Stand nicht sagen und wendet sich hilfesuchend an ihre Pressereferentin: „Das können wir nachliefern, oder?“
Kaum sind die beiden Minister weg, ist der graue Alltag wieder da: In einer Ecke des Schulhofs rauchen zwei 12-Jährige ihre Pausenzigarette.