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Archiv-Artikel

Endlich die Qual der Wahl

In Deutschland lebende Iraker können am 30. Januar an der Wahl in ihrer Heimat teilnehmen. Am Montag beginnt die Registrierung. Allein in Berlin könnten bis zu 11.000 IrakerInnen wählen

„Zum Glück spiegeln sich ethnische Konflikte hier kaum wider“

VON JAN DÖRNER und JOHANNES RADKE

„Aus ganz Deutschland rufen Iraker bei uns an und fragen, wie die Wahl funktioniert“, sagt Sabih Al-Hamdani. Mit den anderen Mitgliedern des irakischen Kulturvereins al Rafedain versucht er von ihrem kleinen Büro in Neukölln aus, die irakische Diaspora fit für die Wahl zu machen.

Nur in vier deutschen Städten soll gewählt werden können: Köln, München, Mannheim und Berlin. Wer nicht in einer dieser Städte lebt, muss zweimal dorthin fahren. Erst zur Registrierung und dann erneut, um zu wählen. „Wir versuchen, bei den Fahrtkosten zu helfen“, sagt Ali Ismail Gowdet, Vorsitzender von al Rafedain. Gerade erst hat er einen Reisebus organisiert, mit dem Landsleute nach Berlin fahren werden. „Alle freuen sich, dass ihre Stimme endlich zählt. Auch wenn es manche viel Geld kostet, werden sie wählen kommen“, glaubt Gowdet.

Aber es gibt nicht nur Geldprobleme. „Asylbewerber haben aufgrund der Residenzpflicht Schwierigkeiten, eine Behördenerlaubnis für die Reise in die vier Wahlzentren zu kriegen“, erklärt Jakob Preuss von der Internationalen Organisation für Migration (IOM), die die Wahl in Berlin organisiert.

Der letzte Auftrag dieser Art für die IOM war das Auslandswahlprogramm für Afghanistan. Anfang November beauftragte die Unabhängige Wahlkommission des Irak die IOM damit, die Auslandswahlen für die irakische Nationalversammlung in 14 Ländern durchzuführen. Seitdem am 23. Dezember die endgültige Erlaubnis des Innenministeriums kam, sind er und sein Team im Dauerstress.

Nach zwei Telefonaten schiebt Preuss sich schnell eine Gabel Salat in den Mund, bevor er weiter erzählt: „Wir wissen überhaupt nicht, was uns erwartet.“ Die IOM gehe davon aus, dass in Deutschland 65.000 irakische Staatsbürger sowie etwa 30.000 eingebürgerte Iraker lebten. Wie viele davon jedoch ihr Wahlrecht in Anspruch nehmen werden, ist unklar. Die Mitarbeiter des Berliner Wahllokals stellen sich auf bis zu 11.000 Wähler in der Hauptstadt ein. Wer gewählt hat, soll am Daumen mit Tinte markiert werden, die nur unter UV-Licht sichtbar ist. Dadurch sollen Tricksereien verhindert werden.

Am Montag geht es mit der Registrierung los. Neben den neun festen Mitarbeitern seines Büros hat Preuss für die kommenden drei Wochen zusätzlich 62 irakische Wahlhelfer eingestellt. Um Spannungen zu vermeiden versucht er, alle Bevölkerungsgruppen einzubeziehen. „Glücklicherweise spiegeln sich etwa die Konflikte zwischen den Sunniten und Schiiten hier in Deutschland kaum wider“, sagt er.

Angst vor etwaigen Anschlägen habe man nicht. Um die Sicherheit für das Wahllokal dennoch zu garantieren, werde es neben einem privaten Sicherheitsdienst auch verstärkten Polizeischutz geben. Am Eingang würden Sicherheitsschleusen wie an Flughäfen aufgestellt und Taschen kontrolliert.

Um die Informationen zu den anstehenden Wahlen in der irakischen Gemeinde in Deutschland bekannt zu machen, hat die IOM Broschüren und Plakate gedruckt sowie Anzeigen und Spots in arabischen Medien geschaltet. Die Mitarbeiter besuchen zahlreiche Infoveranstaltungen. So auch die am vergangenen Mittwochabend in Kreuzberg, zu der das „Komitee zur Unterstützung der irakischen Wahlen in Deutschland“ eingeladen hatte. Im Saal sitzen etwa 200 Iraker, zumeist Männer. Links und rechts neben dem Podium hängen Poster der IOM. Darauf ist eine junge Frau mit der irakischen Flagge vor dem Brandenburger Tor zu sehen. Auf Deutsch und Arabisch heißt es: „Egal wo ich bin, mein Herz ist in der Heimat“, und „Iraks Zukunft hat eine Stimme: Deine!“

Nach einer Rede des irakischen Botschafters in Berlin, Alaa Abdul Majeed Hussein Al-Hashemi, schreiben die Besucher Fragen auf, die sie zur Wahl haben. Unsicherheiten gibt es darüber, welche Dokumente zur Registrierung benötigt werden. Geduldig beantwortet Herta Eckert, Leiterin des Deutschlandbüros für das Auslandswahlprogramm, die Fragen und verweist auf Internetseiten. „Wir sind auf Ihre Unterstützung angewiesen, um möglichst viele Iraker zu erreichen. Motivieren Sie Freunde und Verwandte, erzählen Sie alles weiter“, bittet Eckert.

Gestern, auf der offiziellen Pressekonferenz der IOM, beantwortet Eckert schließlich auch die wichtigste Frage: Das Wahllokal für Berlin wird am Montag in der Alten Wache in Weißensee eröffnet. Nach der Wahl wird dort auch ausgezählt. „Der logistische Aufwand ist zu hoch, alle Wahlzettel pünktlich in den Irak zu senden. Deswegen werden alle in Deutschland abgegebenen Stimmen vor Ort ausgezählt und das Ergebnis an die irakische Wahlkommission übermittelt“, erklärt Eckert.

Kostenlose Infos: Tel.: (08 00) 1 81 37 81 und www.iraqocv.org