: Solidarität und Gerechtigkeit
betr.: „ ‚Geiz ist geil‘ ist eine Spätfolge der 68er“, taz vom 10. 1. 05
Das permanente Herumhacken auf den 68ern, die den Verfall preußischer Tugenden angeblich verantwortet haben (die die Gesellschaft in der Tat nachhaltig geprägt haben), geht an den vielfältigen Ursachen für den Wertewandel vorbei. Komischerweise müssen auch immer die üblichen Verdächtigen für den Werteverfall herhalten: Selbstverwirklichung und Individualität, Liebe und Frieden.
Unter den Tisch werden gekehrt: Solidarität und Gerechtigkeit. Die Letzte von den beiden eine Kardinaltugend übrigens. Auch Liebe und Frieden sind keine Erfindungen der 68er, es sind christliche Tugenden. Es gab wohl kaum eine Generation, die sich nicht stärker die Solidarität mit den Schwachen und Ausgebeuteten auf die Fahne geschrieben hat und auch danach gehandelt hat. Es war auch die erste Generation, die global gedacht hat, es war ihr eben nicht egal, auf wessen Kosten diese wohlgenährte Gesellschaft lebt. Im Grunde genommen hat sie die Gesellschaft für globale politische Zusammenhänge sensibilisiert, nämlich: Ressourcen, Verteilung, Klima. Schön, dass Volker Hauff durch sie jetzt unsere Zukunftsfähigkeit gefährdet sieht. Alles Themen übrigens, von denen der Ex-Verkehrsminister seinerzeit in seiner politischen Praxis meilenweit entfernt war. Wie kommt eigentlich jemand dazu, der ausgerechnet im Vorstand einer Unternehmensberatungsfirma sitzt, die gerade deutsche Firmen über Steuerersparnisse in den neuen EU-Ländern aufklärt, mehr Nachhaltigkeit in Bezug auf traditionelle preußische Werte wie z. B. Treue, Pflicht und Familie zu fordern?
„Geiz ist geil“ ist ein Werbespruch für die unteren Schichten unserer Gesellschaft, für diejenigen, die gerade von z. B. Opel entlassen wurden, denen einfach nichts anderes übrig bleibt, als die Playstation zum Sonderpreis zu erwerben, während die Aktien ihrer Firma auf dem Börsenparkett meistbietend verkauft werden, damit ein Drittel dieser Gesellschaft sich weiterhin die Taschen füllen kann. Schlimme, böse Welt – Folge der 68er? DANA SAVIC, Essen