Abstrakte Sicherheit

Expertenanhörung der GAL zum Entwurf des Hamburger Polizeigesetzes: Kritik von Datenschützern und auch von Polizeigewerkschaften

„Vom ‚schärfsten‘ Polizeigesetz zu sprechen, ist arrogant und dumm“

Von Marco Carini

Das neue Hamburger Polizeigesetz soll aus Sicht seiner Befürworter das „modernste“ und „schärfste“ der Republik werden. Der vorliegende Senatsentwurf, der voraussichtlich im Mai abschließend in der Bürgerschaft beraten wird, stand gestern im Mittelpunkt einer von den Hamburger Grünen veranstalteten Expertenanhörung. Die Kritik der Fachleute an dem neuen Polizeirecht fiel dabei scharf, aber auch unheitlich aus.

Längere Ingewahrsamnahmen und Platzverweise, eine Ausweitung der Telefon- und Wohnraumüberwachung, die Erlaubnis für verdachtsunabhängige Kontrollen sowie die rechtliche Regelung des „finalen“, weil tödlichen „Rettungsschusses“ stehen im Mittelpunkt der von Innensenator Udo Nagel (parteilos) im Dezember vorgelegten Novelle.

Für die GAL steht dabei, so Innenpolitikerin Antje Möller, „der Erweiterung der Rechte der Polizei die Einschränkung der Freiheitsrechte der Bürger gegenüber“. Dabei werde „die Eingriffsschwelle für Polizeimaßnahmen herabgesetzt und die Möglichkeit verringert, die Maßnahmen zumindest im Nachgang rechtlich prüfen zu lassen“.

Der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Peter Schaar, wies darauf hin, dass laut Bundesverfassungsgericht jede Abhörmaßnahme nur in einem engen rechtlichen Rahmen erfolgen darf: Ein geschützter Kernbereich der Privatsphäre dürfe grundsätzlich nicht überwacht werden, die Betroffenen müssten in der Regel nach Abschluss der Maßnahmen erfahren, dass sie ausgeforscht wurden.

Hier aber sieht der Hamburger Entwurf zahlreiche Ausnahmen vor. Auch der stellvertretende Hamburger Datenschutzbeauftragte Harald Wollweber sieht gerade an diesem Punkt „erheblichen Nachbesserungsbedarf“ am Gesetzesentwurf. Dass dieser den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht, zweifelt Frederik Roggan von der Humanistischen Union an. Er sieht in der Novelle „mehrere verfassungswidrige Regelungen“ und „schwerwiegende Eingriffe in das Recht der informationellen Selbstbestimmung“.

Für die polizeilichen Überwachungsmaßnahmen, die hier legalisiert würden, gäbe es in dem Gesetz kaum eingrenzende Rahmenbedingungen, sodass der Polizei Tür und Tor geöffnet würden. Roggan wörtlich: „Dieser Entwurf nimmt den Bürgern konkret viel Freiheit und gibt ihnen nur ein abstraktes Sicherheitsversprechen.“

Kritik ganz anderer Art übten die Vorsitzenden der beiden Polizeigewerkschaften, die grundsätzlich hinter der Ausweitung der polizeilichen Eingriffsmöglichkeiten stehen. Vom „schärfsten“ Polizeigesetz zu sprechen, „ist arrogant, kontraproduktiv und dumm“, mahnte Joachim Lenders, Hamburger Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft. Frank Schöndube, Chef des Bund Deutscher Kriminalbeamter, forderte die Präzisierung der Einsatzvorschriften für die Videoüberwachung öffentlicher Plätze: Nur dort, wo es ein „deutlich erhöhtes Kriminalitätsaufkommen“ gäbe, sollte der Einsatz der Kameras überhaupt erlaubt werden.

Außerdem könne das Geld für die Anschaffung und Bedienung der Aufzeichnungsanlagen, findet Schöndube, „an anderer Stelle sinnvoller ausgegeben“ werden.