: Kritik an geplanten Flüchtlingslagern in Aceh
Deutsche Hilfsorganisationen protestieren gegen die Einrichtung von Lagern unter Aufsicht des indonesischen Militärs
BERLIN taz ■ Ein Bündnis deutscher Hilfsorganisationen hat gestern vor der Einrichtung von großen Lagern für von der Flutkatastrophe Betroffene in der indonesischen Region Aceh gewarnt. Das Bündnis „Gemeinsam für Menschen in Not“ forderte die Bundesregierung auf, sich in Jakarta gegen solche Lager unter Aufsicht des indonesischen Militärs auszusprechen.
Nach Informationen der indonesischen Partnerorganisation KKSP plane die Regierung allein für die Region Banda Aceh drei große Camps für 100.000 Menschen, die dort bis zum Wiederaufbau der zerstörten Städte und Dörfer untergebracht werden sollen. KKSP ist eine Kinderrechtsorganisation in Medan und organisiert Hilfslieferungen für Aceh. Eine Nachfrage der taz bei KKSP blieb wegen der Zeitverschiebung erfolglos. Ein Mitarbeiter der Deutschen Welthungerhilfe in Banda Aceh erklärte, seit Tagen kursierten Gerüchte über die Einrichtung von Lagern.
„Das Anlegen der großen Lager ist Teil der Strategie des indonesischen Militärs, die Kontrolle über die Zivilbevölkerung in Banda Aceh aufrechtzuerhalten. Die Wiederaufbauhilfe in der Region wird so mit der indonesischen Strategie verknüpft, die Gewalt über die Menschen in der Region zu sichern“, erklärte Christian Ramm, der Sprecher von terre des hommes. Die Organisation zählt neben Brot für die Welt, Miseror, medico international und der Deutschen Welthungerhilfe zum Bündnis „Gemeinsam für Menschen in Not – Entwicklung hilft!“.
Die Betroffenen müssten in kleinen, dezentralen Übergangslagern in der Nähe ihrer alten Dörfer untergebracht werden, weil sie so direkt beim Wiederaufbau helfen sowie in alle Bemühungen dazu einbezogen werden könnten, forderte Ramm. Es sei wichtig für die Traumaverarbeitung, dass die Menschen in ihrer gewohnten sozialen Umgebung blieben. Auch sei die Gefahr von Seuchen in zentralen Lagern viel größer. Die Jakarta Post zitierte gestern den für die Hilfskoordination verantwortlichen Minister Alwi Shihab mit den Worten, dass die Einrichtung von 24 Lagern geplant sei. Nähere Details nannte er nicht. In Aceh wurden mehr als 700.000 Menschen obdachlos. Laut dem Blatt würden Obdachlose außerhalb von Lagern von der Regierung weder registriert noch versorgt werden.
Laut Jakarta Post sei eine Gruppe von Helfern der islamischen Organisation Muhammadiyah bei ihrem Einsatz in Banda Aceh von Unbekannten beschossen worden. Niemand sei verletzt worden. Ein Sprecher der Gruppe ging davon aus, dass die Schüsse den sie begleitenden Soldaten galten, die glücklicherweise nicht zurückgeschossen hätten. Das Militär machte die separatistische „Bewegung Freies Aceh“ (Gam) für den Vorfall verantwortlich. Mit Verweis auf die Gam hatte das Militär Auflagen für Helfer erlassen. Vizepräsident Jusuf Kalla wiederholte gestern erneut, dass ausländische Soldaten in spätestens drei Monate Aceh verlassen müssen. Zugleich sagte er, dass die Regierung mit den Rebellen nicht über einen Waffenstillstand, sondern über einen Frieden verhandeln wolle. SVEN HANSEN