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Archiv-Artikel

Abschiebung ins Katastrophengebiet möglich

Der Flüchtlingsrat NRW fordert wie der UNHCR einen Abschiebestopp für Flüchtlinge aus den südostasiatischen Katastrophengebieten. Das nordrhein-westfälische Innenministerium will von Fall zu Fall entscheiden

RUHR taz ■ Im Bürener Abschiebeknast sitzen drei Menschen und warten. Wie und ob ihr Aufenthalt in Deutschland endet, wissen sie nicht. Vor Jahren kamen sie aus Sri Lanka und Indonesien nach Nordrhein-Westfalen. Ihre Asylanträge wurden abgelehnt – lange bevor die Flutwelle Teile ihrer Heimat unter sich begruben. Jetzt wird ihr ungesicherter Status zum Streitfall.

„Ein Abschiebestopp für Flüchtlinge aus den Katastrophengebieten ist die einzige angemessene Antwort auf die verheerende Flut“, sagt Andrea Genten vom Flüchtlingsrat NRW. „Die Lage in den entsprechenden Ländern ist eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit der Betroffenen: Seuchen breiten sich aus, die Infrastruktur ist massiv zerstört.“

Mit dieser Forderung ist der Flüchtlingsrat jetzt an das nordrhein-westfälische Innenministerium herangetreten – und auf Ablehnung gestoßen. „Einen generellen Abschiebestopp halten wir für sinnlos“, sagt Dagmar Pelzer, Pressesprecherin im Innenministerium. „Niemand kann jetzt abschätzen, wie lange die Situation in den betroffenen Ländern für die abgelehnten Asylbewerber unzumutbar ist.“ Deshalb wolle man „sensibel von Fall zu Fall“ entscheiden, bei der geringen Fallzahl sei das problemlos möglich.

Mit dieser „sensiblen Einzelfallprüfung“ des Innenministeriums hat der Flüchtlingsrat NRW schlechte Erfahrung gemacht. Erstmals galt in diesem Winter kein Abschiebestopp für Flüchtlinge aus Montenegro. Stattdessen wurde sensibel geprüft. Ergebnis: „Es wurden hunderte abgeschoben.“ Das Gleiche befürchten die Abschiebungsgegner jetzt im Falle der Südasiaten. „Wir können dem Ganzen nicht trauen“, sagt Andrea Genten. „Für die drei Menschen in Abschiebehaft ist das trotz aller Solidaritätsbekundungen eine fürchterliche Situation.“

Gerade aufgrund der hohen Anteilnahme und einer nie in der Form dagewesenen Spendenbereitschaft der Zivilgesellschaft sei es beschämend, dass die Politik den Flüchtlingen aus der Krisenregion kein Stück Sicherheit gewähren wolle.

Rund 1.700 Flüchtlinge aus den Krisenregionen leben zur Zeit mit dem unsicheren Aufenthaltsstatus Duldung in Nordrhein-Westfalen, die meisten davon aus Sri Lanka, so die Statistik des Innenministeriums. Und allein in Sri Lanka wurden nach Angaben des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR) 835.000 Menschen durch den Tsunami entwurzelt. „Trotz dieser Dimensionen ist das Innenministerium nicht bereit, den nächstliegenden Schritt zu tun und einen Abschiebestopp zu erlassen“, sagt Andrea Genten. „Daran sieht man deutlich, was von der Betroffenheitsrhetorik zu halten ist.“

Andere Länder reagierten prompt auf entsprechende Forderungen: Als der UNHCR in der vergangenen Woche mit Hinweis auf die allgemeine Seuchengefahr und Zerstörung einen sofortigen Abschiebestopp für Menschen aus den Katastrophenregionen gefordert hatte, setzte Kanada sofort die Abschiebungen aus. In mehreren europäischen Ländern wird ähnliches zumindest diskutiert. MIRIAM BUNJES