: berliner szenen Dauernd im Dispo
Ökonomiese machen
Die Honorare für Literaturrezensionen und andere Zeitungstexte sind nicht gerade hoch. Ein-, zweimal im Jahr passiert es darum, meistens kurz nach einem Urlaub: Das Konto ist erst leer, dann wächst das Minus, und zuletzt wird der 600 Euro hohe Dispo überschritten. Manchmal geht es noch einige Tage gut, doch dann ist am Geldautomaten „keine Auszahlung möglich“, die Miete und die Telefonrechnung werden nicht mehr eingezogen, und nur die Bank bucht noch regelmäßig einen ominösen Betrag von 6,14 Euro in eigener Sache ab. Immerhin ließ sich Letzteres schnell klären. „Das ist die Bearbeitungsgebühr für die Lastschriften, die wir mangels Deckung zurückgeben müssen“, setzte mir die Sachbearbeiterin auseinander, als ich wieder einmal in meiner Filiale anrief, um mein Konto entsperren zu lassen. Dann begann das Verhör.
„Was sind Sie eigentlich von Beruf?“
„Journalist.“
„Sie meinen freier Mitarbeiter?“
„Selbstständig.“
„Also keine regelmäßigen Gehaltszahlungen.“
„Bald kommt wieder was.“
„Wann genau soll das sein?“
Nach längeren Verhandlungen bekam ich schließlich einen Überziehungskredit bewilligt, zu hohen Zinsen und begrenzt auf zwei Wochen. Meine Sachbearbeiterin stellte mir darüber hinaus großzügig einen höheren Dispositionskredit in Aussicht, bestand allerdings darauf, zunächst über einen gewissen Zeitraum hinweg meine Kontobewegungen zu beobachten: „Erst dann kann ich entscheiden.“ Wir haben bisher noch nicht wieder miteinander gesprochen, aber das Gefühl, dass jemand zumindest die ökonomischen Aspekt meiner Arbeit im Auge behält, ist sehr beruhigend. KOLJA MENSING