Mord aus Ekel und Neid

Die Tötung Rudolph Moshammers scheint aufgeklärt: Der Iraker Herisch A. (25), kurz zuvor vom Modemacher für 2.000 Euro für Sex angeheuert, gestand. Doch Fragen bleiben unbeantwortet

VON JAN FEDDERSEN

Als die Ermittler am Tatort im Münchner Villenviertel Grünwald analysefähiges DNS-Material fanden, war es nur noch eine Frage von Stunden, dass der 25-jährige Herisch A. als Hauptverdächtiger im Mordfall Rudolph Moshammer vernommen werden konnten. Denn in der Gendatei des Bundeskriminalamts fand sich eine Gegenprobe des Irakers: Der Asylbewerber mit gültiger Aufenthaltsberechtigung hatte voriges Jahr freiwillig eine Speichelprobe abgegeben, um sich vom Verdacht sexueller Nötigung einer Frau zu befreien. Für die Kriminalisten der bayerischen Sonderkommission war der Fund ein Volltreffer: Herisch A. gestand nach stundenlangen Verhören, Rudolph Moshammer ermordet zu haben.

In der Nacht von vergangenem Donnerstag auf Freitag war der Geständige im Münchner Bahnhofsviertel auf die Offerte Moshammers eingegangen, ihm für 2.000 Euro sexuell zu Diensten zu sein. Herisch A., nach Polizeirecherchen als Koch tätig und seiner Spielsucht wegen hoch verschuldet, habe angegeben, Moshammer habe ihm das Honorar für sexuelle Dienste nicht zahlen wollen – woraufhin er in Wut geraten sei und seinen Freier mit dem Telefonkabel erwürgte. Offen ist, ob es tatsächlich zum Sex kam – denn von Spermaspuren (des Täters, des Opfers) wurde nichts mitgeteilt.

Selbstmitleid des Täters

Herisch A., der der Polizei beteuert haben soll, dass er kein Stricher sei, jedoch nicht näher erläutert hat, weshalb er überhaupt auf Moshammers Angebot einzugehen bereit war, soll vom materiellen Überfluss des Wohnambientes seines Opfers von Neid heimgesucht worden sein. Von „Selbstmitleid“, so die Münchner Kripo, sei seine Stimmung im Hause Moshammers geprägt gewesen. Er habe sich beklagt, „dass er sich in seinem Leben nichts leisten“ könne.

Die von der Sonderkommission zu Protokoll gegebene Interpretation der Tat und ihrer Vorgeschichte bedarf indes noch der Prüfung: Was spricht für, was gegen diese Wahrnehmung? Was ist Ausrede, was nicht? Liegen 2.000 Euro nicht ohnehin weit über den branchenüblichen Tarifen für sexuelle Dienste? Weshalb hat der Mörder seinen Kunden, dessen Generosität im Bahnhofsviertel bekannt war, umgebracht, wenn nicht aus Gier und, wichtiger noch, aus Hass auf Homosexuelles? Hat Moshammer sich womöglich beschwert über einen faktisch als Stricher tätigen Mann, weil der für sein Geld nicht arbeiten wollte?

Hat Herisch A. den Vernehmungsbeamten nicht auch von dem Ekel berichtet, der ihm kam, als er Moshammer sich näher beschaute und sich ausmalte, was der zu tun wünschte? Und wusste er nicht, dass 2.000 Euro (ohne Quittung) genug Geld sind, um – zumal im Sexgewerbe – über ästhetische Dissonanzen hinwegsehen zu müssen?

Geld ohne Gegenleistung?

Geld zu kassieren ohne Gegenleistung: Vielleicht hat sich ein Amateur verhoben – und aus Rage über seine professionelle Unfähigkeit seinen Kunden getötet. Dafür spräche, dass der Mord heimtückisch ausgeführt wurde – nach Polizeiangaben mit einem Telefonkabel von hinten, sodass der ahnungslose Moshammer „keine Chance hatte“? Viele Fragen bleiben klärungsbedürftig.

Auffällig ist nur, jenseits der polizeilichen Ermittlungen, dass ein Gros der Presselandschaft, nicht die Bild-Zeitung allein, über den Fall Moshammer berichtete, der im „Homosexuellenmilieu“ angesiedelt sei. Schreibt irgendeine Zeitung im Zusammenhang mit einem Mord an einer Prostituierten vom „Heterosexuellenmilieu“? Moshammer jedenfalls wurde das Opfer eines wahrscheinlich geldgierigen Gelegenheitsstrichers. Mit Homosexualität hatte das möglicherweise nur so viel zu tun, dass einer wie Moshammer, kein stolzer CSD-Mitgänger, nicht gelernt hat, sich niemals so weit zu erniedrigen, dass er im sexuellen Dienstleistungssektor nicht Qualität von Quantität unterscheiden konnte. Ein Unterschied ums Ganze: Moshammer hat ihn mit dem Leben bezahlt.